Der Gladiator
Triumph anzeigen: Er selbst hatte weite Teile Palästinas erobert, sein Sohn Titus meldete die Zerstörung Jerusalems, und Domitian, sein Jüngster, hatte Germanen und Gallier zur Räson gebracht. Grund genug für den römischen Senat, jedem einzelnen einen eigenen Triumph zuzubilligen. Für das Volk endlich wieder einmal die Gelegenheit zu feiern.
Weil die Straßen, durch die sich der Triumphzug bewegte, das Millionenheer der Zuschauer nicht aufnehmen konnten, öffnete der Kaiser Theater und Circusarenen, wo Hunderttausende einen Sitzplatz mit guter Sicht fanden. Der Zug wurde durch die Theater geschleust, was zum Teil nur nach Vergrößerung der Tore möglich war.
Vitellius wohnte dem Ereignis unter zahlreichen Ehrengästen im Theater des Marcellus bei, das der göttliche Augustus zu Ehren seines geliebten Neffen und Schwiegersohnes vor achtzig Jahren errichtet hatte. An seiner Seite saß Plinius mit seiner verwitweten Schwester Plinia und deren neunjährigem Sohn. Daneben Senatoren und hohe Diener des Staates. Es herrschte Hochstimmung.
Noch in der Nacht hatten die siegreichen Legionen vor den Toren der Stadt nahe dem Tempel der Isis Aufstellung genommen. Im Morgengrauen war Vespasian mit seinen beiden Söhnen, jeder den Lorbeerkranz auf dem Haupt und angetan mit dem Purpurgewand des Triumphators, zur Säulenhalle der Octavia gekommen. Auf einer Tribüne nahmen die Senatoren Platz, drei Sessel aus glänzendem Elfenbein warteten auf die Helden.
Kaum hatten die drei sich niedergelassen, da stürmten von allen Seiten die Legionäre herzu, umringten ihre Feldherrn und veranstalteten ein ohrenbetäubendes Geschrei. Auch die Truppe war festlich gekleidet, und jeder Soldat trug ebenfalls einen Lorbeerkranz. Der Kaiser konnte die Truppen nur mit Mühe beruhigen; dann sprachen Vespasian, Titus und Domitian ein gemeinsames Gebet, in dem sie Mars und Jupiter für ihre Siege dankten.
Die Soldaten formierten sich indes zum Triumphzug. Sie zogen Prunkwagen, schleppten Tragegestelle, zügelten Tiere, sogar Schiffe auf Rädern wurden in dem Zug mitgeführt, alles Beutestücke aus den siegreichen Feldzügen. Kesselpauken setzten den Rhythmus, Posaunen gaben das Kommando: Der Triumphzug setzte sich in Bewegung, Ziel war der Tempel des Jupiter Capitolinus.
Beifall brauste auf, als der Zug das Marcellus-Theater erreichte. Von den Tribünen segelten Blumen und bunte Tücher auf die winkenden Legionäre. »Man könnte meinen«, freute sich Plinius, »sie hätten ihre Siege kampflos errungen; dabei weiß ich aus eigener Erfahrung, welche Opfer die Kämpfe in Judäa gefordert haben.«
Vitellius nickte: »In der Stunde des Triumphes ist das alles vergessen. Wie oft habe ich mir während eines Kampfes gesagt, wenn du diesen lebend überstehst, dann ist Schluß, dann hörst du auf, ziehst dich zurück; aber dann kam der Applaus, die Arena tobte, du wirst größer und größer, saugst die Ovationen in dich auf wie Blütenduft – und alle Vorsätze sind vergessen.«
»Onkel, was tragen die Soldaten auf ihren Schultern«, fragte der kleine Plinius und deutete auf die Bündel, mit denen die Legionäre vorbeizogen. »Das sind wertvolle Webstücke seltenster Purpurarten«, antwortete der Oheim, »Gewänder aus diesen Stoffen tragen nur Kaiser und Könige.«
Die nachfolgenden Soldaten schwangen Gold und Silbergefäße und Schmuckgegenstände aus mit Edelsteinen besetztem Elfenbein in den Armen. Auf Tragestangen wurden überlebensgroße fremdländische Götterbilder mitgeführt. Staunen riefen die Tragegestelle hervor, auf denen, mehrere Stockwerke hoch, Kriegsszenen in lebenden Bildern nachgestellt waren: Feinde, die von Lanzen getroffen zu Tode stürzten. Jüdische Soldaten, die auf der Flucht in Gefangenschaft gerieten. Stadtmauern, die unter den Stößen römischer Rammböcke barsten. Römer, die eine Stadtmauer überstiegen und ein Blutbad anrichteten. Barbarentempel, die mit Fackeln in Brand gesetzt wurden. Und hinter jedem Schaugerüst folgten entweder der römische Eroberer oder eine Abordnung Gefangener.
»Seht her«, begeisterte sich Plinius, »dies sind die Beutestücke aus dem Tempel von Jerusalem, den Titus zerstört hat. Der Tisch aus purem Gold wiegt mehrere Talente. Und der goldene Leuchter hat die Form einer Säule, aus der dünne Äste wachsen, ähnlich wie ein Dreizack. Er bietet sieben ehernen Lampen Platz. Die Zahl sieben gilt bei den Juden als heilig.«
Siebenhundert Gefangene, angeblich Feinde, die sich durch
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