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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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deutete auf eine dunkelhäutige Sklavin in einem zerlumpten Leinenkleid. Ihre müden Augen und die strähnigen Haare konnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß es eine außergewöhnlich schöne Frau war. »Wie heißt du?« fragte Eumarus im Vorübergehen, ohne eine Antwort zu erwarten. Um so erstaunter war er, als die Schöne sagte: »Judit heiße ich.«
    »Du sprichst unsere Sprache?« fragte Vitellius.
    »Gewiß«, sagte die Sklavin, »die meisten von uns sprechen eure Sprache, sie leugnen es nur aus Haß über ihr Schicksal.«
    »Und du haderst nicht mit deinem Schicksal?«
    »Was würde es schon nützen. Und schlechter als zu Hause in Judäa kann es mir hier auch nicht ergehen.«
    »Sag mal«, erkundigte Vitellius sich vorsichtig, »ist unter den Sklaven eine Rebecca?«
    Da lachte die Schöne. »Herr, es gibt Hunderte dieses Namens; denn er ist einer der häufigsten in unserem Land.«
    Vitellius nickte. »Dann mögen die Götter dich begleiten.«
    »Es gibt nur einen«, protestierte die Sklavin. Und Eumarus lachte: »Unter Nero hätte dich das vielleicht noch den Kopf gekostet.« Und an Vitellius gewandt, sagte er: »Wenn du willst, zeige ich dir das Amphitheater.« Vitellius war begeistert.
    In der Senke zwischen Palatin und Esquilin, einen Steinwurf vom Ludus magnus entfernt, begann das gigantische Bauwerk in den Himmel zu wachsen. Vorbei am Tempel der Venus und Roma gelangten Eumarus und Vitellius zu dem vergoldeten Koloß, den Nero am Eingang seines Palastes errichtet hatte. Er war eingerüstet, und zwei Bildhauer bearbeiteten in schwindelnder Höhe den Kopf mit Hammer und Meißel.
    »Warum, beim Jupiter, schlagen die Männer dem Sonnengott ins Gesicht?« fragte Vitellius.
    Eumarus lächelte verschmitzt: »Nun, du weißt ja, daß Nero dem Sonnengott seine eigenen Züge verlieh. Das stört Vespasian. Er möchte gerne, daß der Sonnengott ihm selbst ähnlich sieht.« Beide lachten.
    Schon von weitem hörte man das tausendfache Hämmern der Steinmetze, das Knarren der gewaltigen Hebebalken, die brutalen Kommandos der Sklaventreiber. Eine unendlich scheinende Schlange von tausend Ochsenkarren bewegte sich vom frühen Morgen bis zum Einbruch der Dämmerung von Tibur zur Stadtmitte und zurück und transportierte den hochwertigen Travertin, der in dieser Gegend abgebaut wurde. Ziegel und Tuff kamen aus Campanien, Marmor aus Luni. Vitellius hätte das Projekt gern finanziert, aber die Konkurrenz hatte ihm den Auftrag weggeschnappt.
    Vorbei an schweißtriefenden, ausgemergelten Sklaven, die auf Rollen riesige Steinquader schleiften, erreichten Eumarus und Vitellius die der Gladiatorenschule zugewandte Seite der Baustelle. Von hier aus bot sich die beste Übersicht. Sieben konzentrische Pfeilerringe bildeten das Grundgerüst des ovalen Theaters, sie trugen die Fundamente der Arena und der einzelnen Ränge. In Erstaunen versetzte Vitellius die eigentliche Arena: Sie führte zwei Stockwerke in die Tiefe.
    »Wie du siehst, steht das Theater völlig frei«, erklärte Eumarus, »irgendwo muß ich aber die Käfige für die wilden Tiere, die Räume für die Gladiatoren und die Magazine für die Ausstattungen unterbringen. Also ging ich unter die Arena. Das ist an sich noch nichts Besonderes. Kompliziert wird die Konstruktion nur dadurch, daß der Kaiser fordert, die Arena müsse für Seeschlachten geflutet werden können. Also mußte ich auf die unterirdischen Stockwerke eine wasserdichte Marmorwanne setzen, neunundsiebzig Meter lang und sechsundvierzig Meter breit.«
    »Du bist ein Genie, Eumarus!« rief Vitellius voll Bewunderung.
    »Warten wir's ab«, scherzte der Baumeister, »wenn die ersten Löwen noch vor dem Kampf ertrunken sind, wirst du anders von mir denken.«
    »Wie vielen Zuschauern soll das Amphitheater Platz bieten?« erkundigte sich Vitellius.
    »Der Auftrag des Kaisers lautet, mehr als das Theater des Marcellus und weniger als der Circus maximus. Nach meinen Berechnungen wird es etwa 50.000 Menschen aufnehmen. Dort« – Eumarus zeigte nach Südosten – »entsteht die Kaiserloge mit eigenem Eingang und zwei dahinterliegenden Salons. Gegenüber die Pluvinarien, die Ehrenlogen. Jeder Rang weist nach außen achtzig Rundbögen auf, und zwischen den Bögen findest du jeweils achtzig Halbsäulen. Im Untergeschoß erkennst du dazwischen dorische Säulen, darüber entstehen ionische, im dritten Geschoß korinthische Säulen. Und zwischen den Säulen in den Rundbögen sollen Statuen der Sieger aufgestellt

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