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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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es nie gewagt. Ich habe dich von meinen Sklaven beobachten lassen und kenne deine Gewohnheiten. Oft bin ich dir auf der Straße über den Weg gelaufen, aber du hast mich nie beachtet. Dich anzusprechen, habe ich nie gewagt, weil ich wußte, wie sehr Mariamne auf dich aufpaßte. Erst jetzt, da es die Spatzen von den Dächern pfeifen, wie unglücklich deine Ehe mit Tertulla ist, habe ich den Mut gefaßt, dich aufzusuchen und dir meine Liebe zu gestehen.«
    Vitellius antwortete mit der Zurückhaltung und Kühle eines Geschäftsmannes: »Und was erwartest du von mir?«
    Antonia kämpfte mit den Tränen. »Du sprichst wie Pheroras, aber du bist Vitellius. Auch wenn du Millionen besitzt, bist du kein Bankier. Und Hunderte von Schiffen machen aus dir noch lange keinen Reeder. Du bist Vitellius, der sich sein Leben erkämpft hat. Das wirst du nie verleugnen können!«
    »Und um mir das mitzuteilen, bist du hierher gekommen«, sagte Vitellius tonlos. Antonia sah ihr Gegenüber mit großen Augen an. »Verzeih, aber es ist wirklich der einzige Grund. Ich weiß, du bist noch immer der Traum einer jeden Römerin, und du kannst Frauen haben, so viele du willst; aber ich dachte mir, vielleicht bist du traurig und brauchst mich.«
    Obwohl er sich nichts anmerken ließ, irgendwie rührte ihn das, was diese Frau erzählte. Hatte sie nicht recht, wenn sie glaubte, er, Vitellius, sei für diese seine Rolle gar nicht geschaffen? Bei allen Göttern, er fühlte sich unwohl in seiner Haut, weil er das Leben geschenkt bekam, es sich nicht mehr verdienen mußte. Der Gedanke, daß er von nichts anderem als von seiner Sattheit lebte, erschien ihm zutiefst unbehaglich. Gewiß, sein Aufstieg war ungewöhnlich, unvergleichlich und vielbeneidet; aber hatte er ihn nicht auch mehr und mehr isoliert und vereinsamt? So sehr, daß er nun in einem goldenen Käfig saß, mit einer Frau, die er nicht liebte, Besitzer eines Vermögens, mit dem er sich ein paar Kaiser kaufen konnte, von vierhundert Sklaven bedient, und trotzdem unglücklich? Und der einzige Mensch, der das bemerkte, der sogar noch den Mut hatte, ihm das ins Gesicht zu sagen, war diese Antonia.
    »Du – bist verheiratet?« fragte Vitellius zögernd.
    »Nicht anders als du«, antwortete Antonia. »Meine Eltern haben mir einen Mann ausgesucht, der ihr eigenes Ansehen mehrte. Ich war damals sechzehn. Heute bin ich doppelt so alt. Und so lange suche ich vergeblich nach dem, was man Glück nennt. Heute gehe ich meine eigenen Wege. Du magst das verwerflich nennen; aber ich bin eine Frau und habe dasselbe Recht zu leben wie ihr Männer.«
    »Wer verweigert dir dieses Recht?«
    »Unsere Gesellschaft. Kein Hahn kräht nach einem Senator, der mit der Frau eines Konsuls ein Verhältnis unterhält. Die Frau des Konsuls jedoch sieht sich einem Spießrutenlaufen ausgesetzt. Ein Herr, der mit seiner Sklavin schläft, gilt als Draufgänger, eine Ehefrau, die sich mit ihrem Sklaven einläßt, verliert das Bürgerrecht und wird selbst zur Sklavin. Der Tatbestand ist der gleiche, aber in Rom ist es ein großer Unterschied.«
    »Ich kann dir nicht widersprechen«, sagte Vitellius und erhob sich. Er trat vor Antonia hin, die unsicher zu ihm aufblickte. Jedesmal, wenn sie ihn ansah, senkte sie sofort die Augenlider und blickte zu Boden. Ihre geröteten Wangen schienen zu glühen, ihre Brüste hoben und senkten sich hektisch. »Du bist eine schöne Frau«, sagte Vitellius, »die Götter haben es dir an nichts fehlen lassen.«
    Antonia antwortete, ohne Vitellius anzusehen: »Was nützen all die Gaben der Götter, wenn niemand sie wahrnimmt.«
    »Habe ich sie nicht bewundernd erkannt?« fragte Vitellius.
    Antonia blickte verschämt auf, lächelte und wollte die Arme um seinen Hals legen; doch Vitellius faßte ihre Handgelenke und wehrte den Annäherungsversuch ab. »Nicht hier!« sagte er bestimmt.
    »Wo?« fragte Antonia.
    Vitellius zögerte. »An der Mulvischen Brücke?«
    »Gut!«
    »Am Tag nach dem Triumphzug, zur ersten Abendstunde.«
    »Zur ersten Abendstunde«, wiederholte Antonia, »du mußt kommen!«
    Vitellius dachte: »Die Frau des Prätors Domitius kann mir nur nützlich sein!«
    Der Triumphzug war seit zwei Monaten angekündigt. Ein ähnlich festliches Ereignis lag vier Jahre zurück. Damals hatte Nero den Armenierkönig Tiridates samt seinem Hofstaat und 3.000 Reitern in Rom empfangen und im Triumph durch die Stadt geleitet. Vespasian, der neue Kaiser und Vater des Vaterlandes, konnte einen dreifachen

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