Der Gladiator
teuersten Huren Roms«, sagte Cäsonius, der Vitellius' neugierige Blicke verfolgte. »Eine jede findet es unter ihrer Würde, auch nur den Fuß auf das staubige Pflaster der Via Flaminia zu setzen, du triffst sie auch nicht in einem der billigen Lupanare beim Circus maximus, jede von ihnen hat mehrere Apartmenthäuser in den vornehmen Stadtvierteln, wo Ein- und Ausgang an einer anderen Straße liegen.«
Während er redete, verneigte Cäsonius sich ständig nach allen Richtungen, warf Kußhände auf die andere Straßenseite, und ab und zu sprach er ein ehrerbietiges »Ave!« Einen schwarzgelockten Jüngling, der aus einem Ziegenschlauch roten Falerner ausschenkte, küßte er auf die Wange. Er scheint in der Tat ein sehr bekannter Mann zu sein, dachte Vitellius, als plötzlich ein Schatten die Strahlen der untergehenden Sonne verdeckte. Vitellius blickte auf.
Bei der Gottheit des Pan, der solch bukolische Abende werden läßt, über seinem Kopf thronte in einer Sänfte eine blondgelockte Frau – eine zauberhafte Erscheinung, als wäre sie einer Elegie des großen Ovid entstiegen. Acht rotgekleidete Sklaven trugen das luftige Transportgerät mit goldglänzenden Stangen auf ihren Schultern. Die Schöne saß auf einem großen blauen Kissen aus Samt, das mit goldenen Bordüren verziert war. Sie trug eine amethystfarbene ärmellose Tunika, aus deren Dekolleté die nackten prallen Brüste ragten, größer und erregender als Vitellius sie je bei einer griechischen Aphrodite-Statue gesehen hatte. Die Brustwarzen der Schönen blinkten vergoldet, und an ihren Spitzen funkelte je ein Diamant. Als wollte sie diese übernatürliche Pracht noch mehr zur Geltung bringen, lehnte sie sich auf den rechten Unterarm gestützt mit einem Lächeln aus der Sänfte, so daß die herrlichen Gaben der Venus wie reife glänzende Trauben dicht vor seinen Augen hingen. Vitellius fühlte, wie das Blut in seinen Schläfen hämmerte.
»Heil dir, Cäsonius!« rief die Schöne über seinen Kopf hinweg. »Gruß und Kuß, schöne Lycisca!« erwiderte Cäsonius, »die Kraft und Schönheit deiner Brüste wird noch einmal die Pax Romana ins Wanken bringen!« Lycisca lachte: »Vorausgesetzt, die Feldherren der Feinde sind nicht so wie du geartet.« Und mit dem Kopf auf Vitellius weisend, meinte sie: »Die schönsten deiner Freunde hast du mir bisher wohl verheimlicht …«
»Merkurius soll mich Lügen strafen«, fiel ihr Cäsonius ins Wort, »kaum mehr als Augenblicke sind's, seit ich diesen Jüngling sah. Er heißt Vitellius, zählt gerade 17 Lenze und kommt aus Bononia. Als Kesselflicker will er sich in Rom verdingen.«
»Arbeit suchst du, schöner Jüngling? Mich dünkt wohl eher, die Lust am Vergnügen treibt dich nach Rom. Die Stadt ist voll von Reisenden aus allen Provinzen. Die Floralien, das Fest der Blütengöttin Flora, haben ihren Ruf bis in die letzten Winkel des Reiches getragen. Doch scheint mir, schöner Bononier, nicht der Hasen- und Ziegenhetzen wegen hast du den weiten Weg gemacht, die Tänzerinnen im Theater sind es wohl, die sich vor den Zuschauern so kunstvoll ihrer Kleider entledigen.«
Vitellius errötete. Nein, nein, ganz gewiß nicht, wollte er sagen; doch er brachte keinen Ton hervor. Die Erscheinung dieser Frau hatte ihn verhext. Wie in Trance hörte er Lycisca sagen: »Sieh da, Cäsonius, ein schüchterner Jüngling, der erste, welcher mir in meinem Leben begegnet. Sprich, ist er überhaupt ein Mann? Oder ist er auch aus deiner Zunft?«
»Das wissen die Götter«, antwortete Cäsonius mit erhobenen Schultern, »am besten wird wohl sein, du fragst ihn selbst.«
Da streckte Lycisca die Hand nach Vitellius aus. Mit gespreizten Fingern fuhr sie ihm durch den borstigen Lockenkopf. Vitellius blickte auf. Diese Frau, kaum zehn Jahre älter als er, weckte in ihm nie gekannte Gefühle. »Du gefällst mir, schöner Bononier«, sagte sie, während sie in seinen Haaren kraulte, und als Vitellius ein schüchternes Lächeln hervorbrachte: »Komm mit mir!«
Wie auf ein Kommando trat einer der Sklaven neben Vitellius, formte die Hände zu einer Art Steigbügel und bedeutete ihm, hineinzusteigen. Vitellius sah Cäsonius an, der nickte aufmunternd, griff nach dem Bündel des Fremdlings und warf es in die Sänfte. Mit einem Satz sprang Vitellius hinterher, und schon saß er Lycisca gegenüber. Die machte eine Handbewegung in Richtung Stadt, und die Sänfte setzte sich lautlos in Bewegung. »Salve, schöne Lycisca«, rief Cäsonius
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