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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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hinterher, »möge Flora Blüten über deine Wege streuen.«
    Die Frau in der Sänfte sah ihr Gegenüber eine Weile wortlos an. Endlich fragte sie: »Du bist ein römischer Bürger?«
    »Gewiß«, beeilte Vitellius sich zu antworten, und ehrfürchtig fügte er hinzu: »Herrin. Ich wurde registriert bei der Volkszählung im vergangenen Jahr.«
    »Nenn mich Lycisca«, erwiderte die Schöne.
    »Gewiß, Herrin«, sagte Vitellius. Lycisca lachte: »Du bist zum erstenmal in Rom?«
    »Ja«, erwiderte Vitellius, »Lycisca.«
    Vitellius war nicht nur zum erstenmal in Rom, er hatte auch zum erstenmal in seinem Leben Bononia verlassen, war zum erstenmal allein in der Fremde, ganz auf sich gestellt. Zum erstenmal saß er in einer Sänfte, und das Sitzen in dem schwankenden Transportmittel machte ihm Schwierigkeiten. Zum erstenmal sah sich Vitellius einer Frau gegenüber, wie sie ihm noch nie begegnet war. Schön wie die schaumgeborene Aphrodite, bot sie ihm ihre Reize dar, ihm, dem Kesselflicker Vitellius, der noch nie mit einer Frau geschlafen hatte.
    Als hätte sie seine Gedanken erraten, sagte Lycisca, während sie ihre Hand auf seinen Unterarm legte: »Die Situation ist dir wohl fremd. Ich glaube fast, du hast noch nie eine Frau in ihr Cubiculum begleitet, noch nie gesehen, wie sie sich ihrer Tunika, des Capetiums und Strophiums entledigt.«
    »Bei allen Göttern, nein«, fiel ihr Vitellius ins Wort.
    »Du mußt dich nicht fürchten«, meinte Lycisca beschwichtigend, »es ist die natürlichste Sache der Welt.«
    »Ja, Herrin«, sagte Vitellius und fügte hinzu: »Lycisca.«
    »Wenn du willst, schöner Bononier, werde ich dich heute nacht zum Manne machen.«
    Der Satz traf Vitellius wie der Trommelwirbel eines Herolds, der auf dem Marktplatz die Eroberung neuer Provinzen verkündet. Während er auf den milchigweißen Busen vor seinem Gesicht starrte, liefen Phantasiebilder vor ihm ab, die ihm oft in den letzten Jahren den Schlaf geraubt hatten.
    Lycisca schob den Vorhang der Sänfte beiseite und blickte verträumt in die Dämmerung. Prachtvolle Gärten und Parkanlagen zogen an ihnen vorüber, mit Efeu behangene künstliche Grotten luden zum nächtlichen Spiel, Rosenspaliere bekränzten verschwiegene Wege, eingesäumt von dunklen Pinien und Zypressen, silberhellen Ölbäumen und Oleander. Leise rezitierte Lycisca Verse des Horaz:
    »Wie bald, o Freund, entflieht die Jugendzeit,
Die Kraft, die Schönheit und des Alters Leid.
Mit grauem Haar und Runzeln wartet schon
Der Schlaf, der Liebe Freuden fliehn davon.«
    Ein gewaltiges Bauwerk zur Rechten erregte das Interesse von Vitellius, ein mächtiges Rund, vielleicht hundert Meter im Durchmesser, von spitzen Zypressen umstanden; auf der Spitze des Bauwerkes thronte eine goldblinkende Figur. »Das Mausoleum des göttlichen Augustus«, erklärte Lycisca. Vitellius war beeindruckt, und Lycisca fuhr fort: »Hier gegenüber dem Eingang ist die Urne des Göttlichen bestattet. Aber auch Gaius und Lucius, die Neffen des Augustus, sind hier beigesetzt, Livia, seine Frau, Octavia, seine Schwester, die tapferen Drusus und Germanicus, die Kaiser Tiberius und Caligula«, und nach einer Pause des Nachsinnens fügte sie hinzu: »Und die Asche des Claudius wird hier ebenfalls einmal aufbewahrt werden.«
    »Die Götter mögen ihm gnädig sein«, sagte Vitellius.
    »Du bist ein Parteigänger des Imperators?« erkundigte sich Lycisca.
    »Er ist der Kaiser«, sagte Vitellius.
    »Er ist 58 Jahre alt und sabbert wie ein Greis.«
    »In Bononia erzählt man sich«, begann Vitellius vorsichtig, »der Prinzeps sei nicht mehr Herr seiner Sinne, und die Lenkung des Reiches liege in den Händen seiner Freigelassenen Narcissus, Callistus und Pallas, vor allem aber stehe er unter dem Pantoffel seiner Frau Messalina …«
    »Was erzählt man über Messalina?« wollte Lycisca wissen.
    »Sie soll ebenso schön wie gefürchtet sein. Man sagt, sie sei gleichzeitig die meistgeliebte und meistgefürchtete Frau in Rom.«
    Vitellius bemerkte, daß Lyciscas Augen aufleuchteten. Jung und naiv, wie eben ein Siebzehnjähriger aus der Provinz, begann er, da er Lyciscas Interesse spürte, weiter zu plaudern: »Sie soll mehr Männer aufreiben, als sie die Eroberung der Provinzen Britannien und Mauretanien gefordert hat.« Er lachte. »Und die 7.000 Bediensteten der römischen Feuerwehr sollen geschlossen hinter ihr stehen wie ein Mann, samt ihrem Kommandanten Calpurnianus.«
    »Fahre fort«, sagte Lycisca, »berichte, was man

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