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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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reichten purpurfarbene Umhänge, deren Ränder mit Goldborten eingefaßt waren. Zu jedem Kämpfer gesellte sich ein Waffenträger. Vitellius begrüßte den seinen mit einem Kopfnicken. Er trug Dreizack, Netz und Dolch. Aus der Arena war ein schrilles, schmetterndes Trompetensignal zu hören, Pauken dröhnten, dumpf schallten die Tuben. Wie von Geisterhand geführt öffneten sich die schweren Holztore, der rote Vorhang wurde zur Seite gerissen, das Gebrüll auf den Rängen steigerte sich zum Orkan. Der Boden bebte unter der hunderttausendfachen Ekstase. Sulpicius Rufus an der Spitze gab ein Zeichen. Im Gleichschritt setzte sich der Zug der Gladiatoren in Bewegung.
    Aus dem Dunkel des Innenraumes hervortretend, traf die Sonne die Kämpfer wie ein Blitzschlag. Vitellius hatte Mühe, sich zu orientieren. Turmhoch erhoben sich die Ränge in den Himmel. Noch nie hatte er so viele Menschen auf einmal gesehen. Er kam sich winzig vor. Wie in Trance marschierte er hinter seinem Vordermann. Die Nähe seines Gegners Pugnax wirkte unangenehm, beinahe schmerzhaft; er sah ihn nicht, er spürte ihn nur. Der mit Malachitsplittern und Mennigepulver bestreute Sand der Arena warf die Sonnenglut grausam zurück.
    Ein Posaunensignal. Der Zug blieb stehen. Das Publikum verstummte. Rufus warf den ausgestreckten Arm zum Gruß in die Luft. Auf sein Kommando riefen die Gladiatoren: »Ave, Cäsar, morituri te salutant – sei gegrüßt, Cäsar, die Todgeweihten grüßen dich!«
    Vitellius blickte hoch zu der mit rotem Stoff ausgeschlagenen Loge des Kaisers. Da oben saß er zusammengeduckt, lächelnd in einem goldenen Sessel und – das Blut stockte in seinen Adern – neben ihm Messalina, jene Frau, deren Schlafzimmer er kannte, in deren Bett er gelegen hatte. In diesem Augenblick war sie jedoch die Frau des Kaisers. Würdevoll gekleidet, mit hochgetürmten Haaren, blickte sie regungslos geradeaus, musterte die grüßenden Gladiatoren mit keinem Blick. Wollte sie ihn nicht sehen?
    Nach dieser offiziellen Begrüßung begann das Publikum erneut zu toben. Vitellius wagte, sich umzusehen. Die Römer johlten, applaudierten, warfen ihre Sitzkissen in die Luft. Anders als im Theater saßen Männer und Frauen gemischt. Man konnte auf den Rängen viele Sänften erkennen, von denen Sklaven die Tragestangen entfernt hatten. Wohlhabende Bürger waren mit einem ganzen Hofstaat von Sklaven erschienen, sie ließen sich mit Federwedeln Luft zufächeln und mitgebrachte Getränke reichen. Je tiefer die Zuschauer saßen, desto höher war ihr Rang. Abgetrennt von den eigentlichen Zuschauersitzen, der Cavea, waren die Logenplätze der Senatoren, der Konsuln, der Magistratsbeamten, Priester und Vestalinnen. Sie alle hatten reservierte Plätze unmittelbar am Wassergraben, der zum Schutz vor wilden Tieren die ganze Arena umgab.
    Ein neuerliches Signal. Den Gladiatoren wurden Waffenattrappen gereicht, sie stellten sich in Positur, und es begannen Scheingefechte im Takt der Musik. Dabei sollten den Zuschauern die einzelnen Disziplinen, aber auch spezielle Tricks, Schritte, Griffe und Abwehrmanöver vorgeführt werden. Vitellius übte mit Pugnax, sie berührten sich mit ihren stumpfen Waffen, aber keiner sah dem andern in die Augen.
    Die Zuschauer wurden ungeduldig. »Töten!« schallte es immer eindringlicher von den Rängen. »Töten!« – »Stechen!« – »Brennen!«
    Mechanisch, tausendmal geübt, absolvierten Vitellius und Pugnax ihre Lektion. »Ich werde ihn töten. Ich werde ihn töten«, murmelte Vitellius im Rhythmus des Waffenganges vor sich hin. »Ich werde ihn töten, sonst tötet er mich. Ich werde ihn töten.«
    Schrille, kurze Trompetenstöße verkündeten das Ende des Schaukampfes. Die Gladiatoren ließen ihre Waffenattrappen fallen und liefen zurück in das kühle Gewölbe unter den Tribünen. Ein ganzes Heer von Sklaven stürmte in die Arena. Die einen sammelten die Waffenattrappen ein, andere ebneten den Sandboden und streuten gelbes Mennigepulver. Der Instruktor nahm auf seinem erhöhten Sessel in der Mitte des Stadions Platz. Er hatte die Kommandos zu geben und, wenn zwei Gladiatoren zu vorsichtig aufeinander losgingen, sie zum härteren Kampf aufzufordern. Er dirigierte aber auch die Auspeitscher, die jetzt rund um die Arena Aufstellung nahmen.
    »Laßt sie die Peitsche spüren!« hallte es von den Rängen. »Peitscht sie aus!« Doch die Auspeitscher hörten nur auf das Kommando des Instruktors. Erst wenn seine Anfeuerungsrufe keine Wirkung

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