Der Gladiator
zeigten, wurden die Gladiatoren ausgepeitscht.
Im Takt der Trompetenstöße kamen zwei Paegniarii in die Arena gelaufen, flankiert von zwei Soldaten in blinkenden Uniformen. Ihre goldenen Helme mit roten Federbüschen und die glänzenden Lederstreifen ihrer prachtvollen Bekleidung standen in einem auffälligen Gegensatz zur Nacktheit der Gladiatoren, die nur von einem ockerfarbenen Lendenschurz bedeckt waren. Die Paegniarii trugen in der Linken einen Schlagstock, in der Rechten eine Peitsche. Damit den Gegner totzuschlagen war meist ein langwieriges und grausames Unterfangen.
Auf der Seite vor der Kaiserloge blieben die Gladiatoren und Soldaten stehen und verneigten sich; dann gingen je ein Soldat und Gladiator zehn Schritte in entgegengesetzter Richtung. Die Kämpfer drehten sich um, die Soldaten traten ab, von der Kaiserloge glitt ein weißes Tuch in den Sand der Arena hinab – das Zeichen für den Beginn der Spiele.
Die Zuschauer erhoben sich unter ohrenbetäubendem Geschrei von ihren Sitzen, warfen die Arme in die Luft, drohten mit den Fäusten, trampelten mit den Füßen, warfen die Köpfe hin und her, Frauen fielen in Ohnmacht, Zuschauer wurden umgestoßen, einige zertrampelt, die ersten Todesopfer gab es auf den Rängen.
Zunächst drehten sich beide Kämpfer im Kreis. Einer schlich um den anderen herum, die Peitsche in ständiger Kreiselbewegung über dem Kopf schwingend. Es ging bei diesem Kampf weniger darum, dem Gegner mit einem Peitschenhieb Schmerz zuzufügen, als ihn augenblicklich kampfunfähig zu machen. Wickelte sich die lederne Peitschenschnur um Hals oder Beine des Gegners, so war er verloren. Der andere konnte sein Opfer umwerfen, zu sich heranziehen und mit dem Knüppel erschlagen. Bisher hatte noch keiner seine Peitsche eingesetzt. Das Publikum wurde ungeduldig. »Kämpft!« rief der Instruktor von seinem hohen Sessel.
Im selben Augenblick knallte der Riemen um den Hals des älteren Kämpfers. Der ließ seine Peitsche fallen, taumelte, wurde umgerissen. Der andere holte mit seinem Knüppel aus und schlug unter dem Gebrüll der Massen auf den Kopf des Gegners ein.
Vitellius sah diese Szene nicht. Er stand kampfbereit neben Pugnax hinter dem roten Vorhang. Obwohl der Lärm der Massen sich bis zum Unerträglichen steigerte – viele Gladiatoren hielten sich verzweifelt die Ohren zu –, wirkte der Junge so gelöst, als wüßte er schon um den Ausgang des Kampfes. Das Geschrei der Zuschauer lag in weiter Ferne, ja, für ihn waren sie gar nicht da. Für ihn gab es nur diesen einen Menschen auf der Welt: Pugnax. Ihn mußte er besiegen; wollte er weiterleben, mußte er ihn töten. Und er wollte leben!
In diesen Minuten, in denen er auf seinen Auftritt wartete, nahm er sich vor, jede Gelegenheit wahrzunehmen, diesem grausamen Beruf zu entkommen, falls er aus dem bevorstehenden Kampf lebend hervorging. Er wollte lieber arm sein, ein Kesselflicker auf dem Lande, aber er wollte leben, leben, leben!
Ein Stoß gegen die Schulter holte Vitellius in die Wirklichkeit zurück. Mit einem glühenden Eisen in der Hand hastete ein Sklave in der Maske des Seelenbegleiters Merkur vorbei. Mit erhobenem Eisen trat er aus dem Vorhang. Sofort verwandelte sich der Beifall der Massen in ein furchtbares Jaulen. Der Sklave trat neben den erschlagenen Gladiator, drückte ihm das glühende Eisen in den Bauch – keine Reaktion. Stinkender Rauch stieg in die Luft. Jetzt winkte er zwei andere Sklaven herbei, die die Leiche mit Haken zum Tor der Todesgöttin schleiften.
Auf einmal war es still geworden; doch als das Trompetensignal erscholl und Pugnax und Vitellius vor den riesigen roten Vorhang traten, wollte der Beifall nicht enden: Jubelrufe, »Hoch Pugnax!«, aber auch »Vitellius!«, »Vitellius!« schallte es von den Rängen. Der Bononier registrierte mit Befriedigung, daß das Publikum nicht nur auf der Seite des Erfolgreichen stand. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, während er auf dem Weg zur Kaiserloge mit erhobenem Haupt einen Schritt vor den anderen setzte.
Es war schwer festzustellen, wer von den beiden auf das Publikum einen besseren Eindruck machte, der Jüngling, schlank, groß, aber mit den unausgewogenen Bewegungen eines Siebzehnjährigen, oder die kraftstrotzende, muskulöse, schwarzgelockte Kämpfernatur des Gegners, der sich gelassen gab und anzudeuten schien, daß es für ihn eine Kleinigkeit war, diesen Kampf zu absolvieren.
Die beiden flankierenden Soldaten blieben stehen. Vitellius
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