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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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geplant, den anderen bestimmte unmittelbar vor dem Kampf das Los, gegen wen sie zu kämpfen hatten. Aber auch die Gladiatoren, deren Gegner bereits feststanden, erfuhren dies erst unmittelbar vor ihrem Auftritt, weil die Gefahr zu groß war, daß zwei als Gegner Ausersehene in der nervlichen Anspannung der letzten Stunden vor dem Kampf aufeinander losgingen.
    Wer könnte mein Gegner sein? Vitellius ging alle durch, mit denen er im Training gekämpft hatte. Vor seinem geistigen Auge sah er ihre typischen Bewegungen, ihre Haltung vor dem Sprung, hörte ihren heftigen Atem, das nervöse Scharren ihrer Füße. Er sah seine Erfolge, seine Mißerfolge und begann mit den Fingern zu zählen. Siege und Niederlagen während des Trainings hielten sich in etwa die Waage. Mehr Chancen zu überleben hatte er auch im Ernstfall nicht.
    Sein Grübeln wurde unterbrochen, als jemand mit dem Fuß die Zellentür aufstieß. Vitellius erkannte die Silhouette des glatzköpfigen Türstehers.
    »Ein Weib will dich sprechen«, sagte er mit süffisantem Lächeln und klimperte mit zwei Münzen in seiner Hand.
    »Nenn mir ihren Namen«, antwortete Vitellius.
    »Du glaubst wohl, daß ich alle Huren dieser Stadt kenne.«
    »Wie sieht sie aus?«
    »Das weiß ich nicht. Sie war verschleiert und hat mir zwei Sesterze gegeben. Noch mal zwei Sesterze kostet es, wenn ich dich rauslasse und dir sage, wo du sie triffst.«
    Vitellius griff unter seinen Strohsack, zog den Lederbeutel hervor und warf dem Sklaven zwei Münzen zu.
    »Paß auf«, sagte dieser, »ich gehe jetzt wieder an meine Tür. Warte einen Augenblick; dann kommst du nach. Ich lasse dich hinaus. Sie wartet hinter dem Neptun-Tempel.«
    Die mit Speiseresten bedeckten Tische, umgestoßenen Weinbecher, die Ausgelassenheit der tanzenden, rülpsenden, kreischenden Menschen wirkten abstoßend auf Vitellius. Dabei war er doch einer von ihnen, gehörte dazu, teilte sein Schicksal mit ihnen. Warum meidest und verachtest du sie dann, dachte er? Das ist doch dein Leben.
    Vitellius schubste, rempelte und schlug sich einen Weg durch die johlende Menge, endlich drückte er sich am Türsteher vorbei und tauchte in der Dunkelheit unter.
    Der Neptun-Tempel lag nicht weit entfernt. Agrippa hatte ihn zur Erinnerung an seine Seesiege erbauen lassen. Vitellius wußte nicht, wer ihn hinter diesem Tempel erwartete, aber er ahnte es. Das letzte Stück hatte er im Laufschritt zurückgelegt, dann schlich er vorsichtig um das Gebäude herum. Als er innehielt, trat ein Schatten aus den Säulen.
    »Wer bist du?« fragte Vitellius.
    »Rebecca«, hörte er eine leise Stimme.
    Rebecca! Er hatte es geahnt. Rebecca! Sie hatte ihn also nicht vergessen. Er ging auf sie zu, nahm sie in seine Arme und küßte sie: »Rebecca, welche Freude! Nur – was führt uns zu so später Stunde zusammen?«
    »Vitellius«, begann das Mädchen, »ich habe lange nichts von dir gehört. Ich habe dich gesucht, nach dir gefragt, du warst verschwunden. Ich dachte schon, du bist zurückgegangen nach Bononia, weil du keine Arbeit fandest.«
    »Nein«, sagte Vitellius, »es kam alles ganz anders.«
    »Ich weiß«, sagte Rebecca.
    »Woher weißt du?«
    »An allen Straßenecken steht dein Name angeschrieben. Das Programm der Spiele im Circus maximus, die einzelnen Paarungen der Gladiatoren.«
    »Bei allen Göttern! So hast du also von mir erfahren.«
    »Glaube mir, Vitellius, es war ein Schlag, schmerzhafter als die Rute meines Herrn Hortensius.«
    »Der Alte schlägt dich?«
    »Jetzt nicht mehr. Er ist tot.«
    »Tot? – Dann bist du ja frei, Rebecca!«
    »Ja, ich bin frei, ich bin eine Freigelassene und kann tun und lassen, was ich will. Die Frau des Hortensius hält mich als Hausdame. Ich werde jetzt gut bezahlt.«
    »Ich freue mich für dich!«
    Vitellius bemerkte, daß das Mädchen Tränen in den Augen hatte: »Rebecca!« Er schüttelte sie: »Was ist mit dir?«
    »Vitellius«, begann das Mädchen schluchzend, »du darfst nicht kämpfen, hörst du, du darfst es nicht!«
    »Sprich nicht so, Rebecca, ich habe einen Eid geschworen und mich verpflichtet!«
    »Breche den Eid, aber rette dein Leben! Es war genug, daß mein Vater sterben mußte. Soll ich auch dich noch verlieren?«
    »Du wirst mich nicht verlieren, Rebecca. Ich werde kämpfen und siegen. Ich werde für dich siegen!«
    »Du redest wie mein Vater vor seinem letzten Kampf.«
    »Rebecca, ich bin jung!«
    »Ja, du bist jung und unerfahren, und Pugnax hat zwanzig Siege

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