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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Niederlage in der Arena und die fiebernde Erwartung des Todes. Beim Jupiter und allen Göttern, helft mir, laßt mir Gerechtigkeit widerfahren! Doch das Gebet klang eher wie ein Fluch der Verzweiflung.
    Wie aus weiter Ferne hörte er die schneidende Stimme des Prätors, der das Urteil verkündete. Vitellius verstand nur ein paar Wortfetzen, doch sie genügten, um deutlich zu machen, was ihm bevorstand: »… wird schuldig gesprochen des Hochverrats gegen seine Majestät den Kaiser … und mit dem Tode bestraft … ist das Urteil durch das Schwert zu vollstrecken.« Dann wurde es schwarz vor seinen Augen.
    In einem langen weißen Gewand, auf dem Kopf die Vitta, ein verschlungenes wollenes Band, schritt Vibidia, die Älteste der Vestalinnen, die Heilige Straße zum Forum hinab. Die Priesterin des heiligen Feuers wurde von zwei Liktoren begleitet, die würdevoll ihre Rutenbündel vorantrugen. Am Tempel des göttlichen Cäsar bog die Priesterin nach links ab, nahm schweren Schrittes die sieben Stufen zum langgestreckten Haus der Vestalinnen und verschwand hinter einer grünschimmernden Bronzetür, vor der die Liktoren Aufstellung nahmen.
    Vibidia wurde von den fünf anderen Vestalinnen im Innern mit Bangen erwartet. »Was ist mit Messalina geschehen?« bestürmten sie die Ankommende.
    Vibidia machte eine abwehrende Handbewegung. »Messalina ist tot.«
    Tullia, mit sechzehn Jahren die Jüngste der Vestalinnen, schlug die Hände vors Gesicht und rief: »Heilige Vesta, o ihr heiligen Götter Roms, warum habt ihr unsere Mutter so früh zu euch gerufen!«
    Die sechs Vesta-Priesterinnen genossen unter der Proedrie, der Schirmherrschaft der jeweiligen Kaiserin, außerordentliches Ansehen. Sie waren die Hüterinnen des heiligen Feuers in dem kreisrunden Tempelchen auf dem Forum, dem schönsten Götterbau Roms. Dieses Feuer, das seine Glut und Leuchtkraft der Göttin Vesta verdankte, durfte nie erlöschen. Nur solange es loderte, bestand keine Gefahr für den römischen Staat. Eine Vestalin verpflichtete sich für dreißig Jahre. In dieser Zeit mußte sie keusch leben; übertrat sie ihren Eid, so wurde sie lebendig begraben. Zum Haus der Vestalinnen hinter dem kleinen Rundtempel hatte daher außer dem Oberpriester kein männliches Wesen Zutritt.
    Vibidia wehrte die bohrenden Fragen ihrer Mitschwestern ab. »Hüllt das Suffibulum um euer Haupt«, befahl sie in barschem Ton, »und laßt uns für Messalina beten.« Die Vestalinnen gehorchten, nahmen die purpurgesäumten Schleier, legten sie über das kurzgeschorene Haar und warfen sich vor einer weißen Marmorstatue am Rande des Wasserbeckens zu Boden. In oft geübtem Singsang murmelten sie ihre Gebete. Nachdem sie sich wieder erhoben hatten, bestürmten sie Vibidia: »Was ist geschehen?«
    »Unsere Herrin«, begann die Alte stockend, »wurde von den Furien gejagt. Mit Schlangenhaar, Fackeln und Geißeln versetzten sie Messalina in Wahnsinn, so daß sie nicht mehr wußte, was sie tat. Sie benützte die Abwesenheit des göttlichen Claudius, um einen anderen Mann zu heiraten, den Kopf einer Verschwörung gegen den Kaiser. Während der Hochzeitszeremonie in ihrem Stadtpalais ließ Claudius die Rädelsführer festnehmen. Sie wurden zum Tode verurteilt und werden am morgigen Tag hingerichtet. Messalina hatte sich mit ihrer Mutter in den Gärten des Lukullus versteckt; denn auch sie erwartete das Todesurteil. Ein Mordkommando des Narcissus nahm dies vorweg und erdolchte unsere Herrin.«
    »O hätte Domitia Lepida sie nie geboren!« jammerten die Vestalinnen. »Welch schauerliches Prodigium für unsere Zukunft!« – »O Göttin des Herdfeuers, die Äneas aus dem brennenden Troja gerettet hat, verlaß uns jetzt nicht!«
    Vibidia versuchte ihre Mitpriesterinnen zu beruhigen.
    »Wenngleich wir unsere Herrin verloren haben, so ändert sich an unserem Leben nichts. Seid gewiß. Die Proedrie wird von einer anderen Frau gleichen Ranges eingenommen werden.« Dies wirkte beruhigend auf die Vestalinnen.
    »Sahst du Messalina sterben?« fragte Tullia zaghaft.
    »Nein«, antwortete Vibidia, »ich habe ihren Tod nicht miterlebt, aber ich war Zeuge ihrer letzten Stunden. Sie lag vor ihrer Mutter im Gras und weinte bittere Tränen. Sie hatte Angst vor dem Tod; denn sie liebte das Leben. Ich setzte mich für Messalina beim Kaiser ein. Zum ersten Mal nahm ich das Vestalinnen-Recht in Anspruch, den Prinzeps um ein Gespräch zu bitten, doch ich flehte vergebens für Messalina. Sein Ohr war nur für

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