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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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von der Via Sacra her die sieben Stufen zu der marmornen Gerichtshalle hinauf. Sechsunddreißig Säulen teilten die Halle in ein Haupt- und zwei Seitenschiffe, die ausschließlich dem Publikum vorbehalten waren, darunter nicht wenige Laudiceni, ›Sich von ihrem Lob Ernährende‹, also berufsmäßige Beifallklatscher.
    Den Vorsitz führte der Prätor urbanus, ein würdiger älterer Herr in der purpurgesäumten Toga praetexta, eingerahmt von zwei Liktoren, zu seiner Rechten und Linken die Senatoren. Mit Trompetenschall traf der Kaiser ein. Schwerbewacht nahm Claudius hinter dem Prätor Platz. Der Kaiser sprach in dem Hochverratsprozeß das Urteil, ohne jedoch selbst in die Verhandlung einzugreifen. Die Fragen stellte der Prätor, ihm oblag die Prozeßführung.
    Das Raunen im Publikum wurde zum wilden Geschrei, als die Angeklagten mit Ketten aneinandergefesselt und von Centurionen bewacht in die Halle geführt wurden. »Mut, Mut!« riefen die einen. »Das Schwert soll sie treffen!« die anderen.
    Der Prätor verlas die Anklage: »Angeklagt des Hochverrats gegen den Kaiser sind Gaius Silius, Titius Proculus, Mnester, Vettius Valens, Pomponius Urbicus, Sanfeius Trogus, Decrius Calpurnianus, Sulpicius Rufus, Juncus Vergilianus, Traulus Montanus, Suillius Cäsoninus, Plantius Lateranus und Gaius Vitellius.«
    Es folgte ein nicht enden wollender Aufmarsch von Zeugen. Zur Verurteilung genügten zwei beeidete Zeugenaussagen. Konnte sie der Angeklagte nicht widerlegen, oder hatte er keinen Gegenzeugen, so blieb dem Gericht gar keine andere Wahl, als ihn zu verurteilen. Viele Angeklagte waren geständig und versuchten erst gar nicht, sich zu verteidigen. Andere kämpften verzweifelt um ihr Leben. Gaius Silius gab zu, er habe mit Messalinas Hilfe den Kaiser stürzen wollen, und bat sogar darum, seine Hinrichtung zu beschleunigen. Traulus Montanus, ein schöner junger Mann, verteidigte sich, er habe nur eine einzige Nacht mit Messalina verbracht, aber auch nur deshalb, weil man ihn mit Gewalt herbeigeschleppt habe. Eine Zofe Messalinas bestätigte den Sachverhalt. Das rettete ihm das Leben.
    Weniger erfolgreich war der Schauspieler Mnester mit seiner Verteidigung. Er riß sich sein Gewand vom Leib und wies die Striemen vor, die seinen Oberkörper bedeckten. Erregt rief er aus: »Messalina hat mich mit der Peitsche zur Liebe gezwungen, mit den Verschwörern habe ich nichts zu tun!« Claudius schien zunächst gerührt, wurde später aber von seinen Beratern umgestimmt, die ihm erklärten, der Umgang mit der Peitsche sei nur eine besondere Art des Liebesspiels. Der schwule Cäsonius fand dagegen bei den Richtern Gehör, als er sich damit verteidigte, daß er zwar an allen Orgien der Kaiserin teilgenommen habe, aber von niemandem für voll genommen worden wäre. Er habe nur als Schwuler andere Schwule bedienen müssen.
    Als letzter kam Vitellius an die Reihe. »Warum bist du aus dem Ludus magnus entflohen?« fragte der Prätor.
    Vitellius suchte verzweifelt nach einer Antwort. Wohin er auch blickte, von allen Seiten starrten ihn feindselige Gesichter an. Er schluckte, und noch bevor er etwas gesagt hatte, hörte er die schneidende Stimme des Prätors: »Du schweigst, Vitellius, du hast also Gründe, uns deine Antwort zu verweigern. Nur – es wird dir nicht von Nutzen sein.«
    »Ich habe nichts mit der Verschwörung zu tun«, sagte Vitellius hastig, »auch wenn der Schein gegen mich spricht. Ich bin ein einfacher Mann aus Bononia …«
    »Dann bist du einer von diesen Querulanten, die sich überall in den Provinzen des Reiches gegen den Kaiser erheben, die, obwohl von Geburt Humiliores, sich die Rechte der Honestiores anmaßen, einer von jenen Gleichmachern, die da glauben, alle Menschen seien gleich.«
    »Nein«, antwortete Vitellius, »ich habe stets das Gesetz geachtet, wie es meine Pflicht als römischer Bürger ist, und ich bin auch noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Und ich werde mich gegen Anschuldigungen zu verteidigen wissen. Ich habe ein reines Gewissen.«
    »Dann erkläre uns den Grund für deine Flucht!«
    »Das ist in der Tat das einzige Vergehen, dessen ich mich schuldig gemacht habe. Ich floh allein deshalb, weil mir unter den Gladiatoren so viel Feindseligkeit entgegengebracht wurde, daß ich diese Anklage erwarten mußte.«
    »Und warum flohst du ausgerechnet zu den Juden nach Transtiberim? Jedermann in Rom weiß, welch verächtliche Brut jenseits des Tibers haust. Sie sondern sich ab, weil sie unsere

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