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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Schiffe hoben sich behutsam, tauchten ins Wasser, kamen wieder empor. Langsam liefen die Schiffe aufeinander zu. Pugnax hatte sich hinter seinem Langschild verschanzt, so daß er kaum zu erkennen war. Vitellius hielt den Rundschild an die linke Körperseite gepreßt, das Krummschwert schwang leicht in seiner Hand. Breitbeinig und längs zur Fahrtrichtung glitt er seinem Widersacher entgegen. Noch zehn Meter trennten die Todfeinde voneinander. Die Ruderer bremsten die Fahrt. Lautlos fuhren sie aufeinander zu. Während Pugnax starr wie eine Statue hinter seinem Schild lauerte, schwang das Krummschwert des Vitellius in immer weiteren Bewegungen. Es schien keine Frage zu sein, wer von den beiden die Initiative in diesem Kampf übernehmen würde.
    War es die ungewohnte Umgebung, das gestiegene Selbstbewußtsein oder einfach das unbändige Bedürfnis sich zu rächen, das Vitellius jede Angst nahm? Wie oft schon hatte er an den Tod gedacht, ihn auch schon zweimal auf sich zukommen sehen, aber jetzt? – Nein. Er wußte, er würde siegen und dem verhaßten Denunzianten das Eisen in die Rippen stoßen, ohne jemandem die Möglichkeit zur Begnadigung zu geben. Nur schnell mußte es gehen, blitzschnell, er mußte schneller sein als Pugnax in seiner schweren Rüstung reagieren konnte. Aber wie konnte er ihm beikommen, da er hinter seinem Schild kaum eine Angriffsfläche bot. Pugnax war nur von hinten verwundbar.
    Mit dem Kinn gab Vitellius dem Schiffsmeister den Hinweis, Fahrt zu machen, links vorbei. Auf einmal peitschten die Ruder das Wasser. Wie ein galoppierendes Pferd stieg der Bug aus dem See, ging wieder nieder. Vitellius versuchte im selben Rhythmus sein Krummschwert zu schwingen.
    Der Kurs der beiden Schiffe war so knapp ausgerichtet, daß sie sich bei der Begegnung, wenn nicht am Bug, so an der Breitseite berühren würden. Jetzt trennten sie keine zwei Meter mehr. Vitellius sah deutlich, wie Pugnax mit winzig kleinen Schritten seine Stellung korrigierte, damit er ihm nicht die geringste Blöße bot. Die Armschwingungen seiner Rechten erreichten bereits Kopfhöhe. Da, in dem Augenblick, als beide Gladiatoren sich auf gleicher Höhe gegenüberstanden, geschah etwas völlig Unerwartetes, womit niemand gerechnet hatte. Ein einziger Aufschrei des Entsetzens gellte über das Ufer. Vitellius hatte seinen Schild ins Wasser geworfen. Darauf war Pugnax nicht gefaßt; noch ehe er auf diese Wahnsinnstat reagieren konnte, nützte Vitellius den Schwung seines Krummschwertes und landete mit einem Sprung auf den Planken des gegnerischen Schiffes. Die dadurch entstandene Schlingerbewegung versuchte Pugnax mit breiten Beinen auszugleichen. Doch kaum ragte der Unterschenkel des Gladiators hinter dem Schild hervor, da sauste das Krummschwert des anderen nieder und trennte mit einem Schlag das Bein ab. Pugnax brüllte, Blut schoß auf die Planken, der Schild fiel nach vorne, Vitellius sprang zur Seite, doch sein Schwert war schon wieder oben, er schlug es auf den zusammengekrümmt niedersinkenden Pugnax und traf ihn im Nacken zwischen den beiden Schulterblättern. Ein Geräusch, als würde ein Kohlkopf mit einem stumpfen Beil gespalten. Das Schwert blieb stecken. Für einen Augenblick hielt Vitellius inne; dann stieß er den Sterbenden mit dem Fuß ins Wasser.
    Wie aus weiter Ferne drang der Beifall der tobenden Menge allmählich auf Vitellius ein. Erschreckt starrte er auf die vor ihm im Wasser treibende Leiche, in das Gefühl der Genugtuung mischten sich Schuldgefühle. Vitellius ekelte sich vor sich selbst. Er würgte. Aber die Ovationen des Publikums wurden immer lauter, kreischender, verrückter, je näher das Schiff dem Ufer kam. Blumensträuße wurden ins Wasser geworfen, von der Ehrentribüne segelten zarte bunte Tücher. Und allmählich machte sich in seinem Kopf das Bewußtsein breit, daß dieses Spektakel, dieser emphatische Jubel ihm galt, ihm, dem Kesselflicker Gaius Vitellius aus Bononia.
    Mühsam, beinahe hilflos, versuchte er die triumphierende Miene des Siegers aufzusetzen, ins Publikum zu winken. Er tat es und registrierte staunend, wie jede seiner Bewegungen eine Reaktion aus vielen tausend Kehlen auslöste. Je höher er die Arme riß, desto lauter schallte der Jubel. Je heftiger er winkte, desto schriller kreischten die Frauen. Er begann Gefallen zu finden an dem Wechselspiel zwischen den Massen und ihrem Idol.
    Mit Haken wurde das Schiff an die Tribüne herangezogen und Vitellius von zwei Sklaven in Empfang genommen.

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