Der Gladiator
gehindert, aus dem Wasser zu steigen. Brutal drückten sie ihre Köpfe mit den Füßen unter das Wasser oder stießen mit ihren Lanzen so lange auf sie ein, bis sie kein Lebenszeichen mehr von sich gaben.
Während auf dem Wasser die Seeschlacht tobte, trafen unter der Tribüne, wo die Warte- und Ankleideräume der Gladiatoren lagen, zwei Männer aufeinander, die sich seit Monaten nicht gesehen hatten: Vitellius und Pugnax.
Pugnax hatte seinen Dienst im Ludus magnus quittiert, offenbar aus Enttäuschung darüber, daß er nach der Hinrichtung des Sulpicius Rufus nicht dessen Nachfolger geworden war. Die Rapis, den Freiheitsstab, hatte er sich durch einundzwanzig Siege einundzwanzigmal verdient, er konnte jederzeit aufhören. Böse Zungen verbreiteten das Gerücht, er habe für seine Aussage im Prozeß gegen die Verschwörer aus der Umgebung des Prinzeps hunderttausend Sesterzen erhalten. Aber der Wunsch des Vitellius hatte Pugnax bei der Ehre gepackt. Diesen Kampf auszuschlagen hätte ihn in den Ruf gebracht, ein Feigling zu sein. Er konnte nicht ablehnen.
Vitellius war nach seiner unverhofften Begnadigung in die Gladiatorenschule zurückgekehrt. Lentulus, der neue Leiter, verstand es mit Geschick, die Spannungen zwischen dem plötzlich so populär gewordenen Nachwuchsgladiator und der altgedienten Mannschaft auszugleichen. Hart wie nie zuvor hatte Vitellius alle Kampfdisziplinen absolviert, war mannhaft gegen Bären aus den Alpen und Luchse aus Thrakien angetreten. Sogar im Faustkampf hatte er sich hervorgetan und Körperkräfte antrainiert wie ein keltischer Sklave. Die anderen fürchteten ihn.
Jetzt trat Pugnax vor Vitellius, zog einen geköpften, aber noch zuckenden Hahn hervor und warf ihn Vitellius vor die Füße. »Das Unglückstier soll dir Unglück bringen«, zischte er durch die zusammengepreßten Lippen. Vitellius wich einen Schritt zurück. Verständnislos blickte er auf das verendende Federvieh. In seinen Augen blitzte kalter Haß auf als er Pugnax ansah. Er sagte kein Wort. Plötzlich aber spuckte er dem Gegner ins Gesicht. Mit einem Sprung warf sich Pugnax auf ihn. »Du Widerling!« schrie er, »ich breche dir alle Knochen!« Doch der Junge verstand es geschickt, sich aus der Umklammerung des Tobenden zu lösen.
Salbsklaven zerrten die Kontrahenten auseinander und führten beide in entgegengesetzte Ecken, um sie für den Kampf vorzubereiten.
»Er ist toll vor Wut«, sagte der Sekundant des Vitellius, »nimm dich in acht!«
Vitellius antwortete ruhig: »Seine Wut ist mein bester Verbündeter; denn in der Arena siegt nicht der Bauch, sondern der Kopf!« Voll Anerkennung klopfte ihm der Sklave auf die Schulter. »Du wirst siegen, Vitellius. Die Gerechtigkeit wird siegen.« – »Ja«, sagte Vitellius, »ich bereue nicht, ihn zum Kampf gefordert zu haben.«
Der Tribünenbau erzitterte unter dem Toben des Publikums, die Verstrebungen drohten jeden Augenblick herabzustürzen. Die Sklaven, die das Rüstzeug bereithielten, blickten angstvoll nach oben in das Gebälk.
Vitellius kämpfte als Thraker, Pugnax als Samnit, der Lieblingsdisziplin des Kaisers Claudius. Die unterschiedlichen Kampfausrüstungen von Thrakern und Samniten erforderten auch voneinander völlig verschiedene Kampftechniken.
Samniten fochten mit kurzem und geradem Schwert und in schwerer Rüstung, Thraker hingegen mit Krummschwert und einem schützenden Gesichtshelm. Sie trugen am rechten Arm eine Bandage und an beiden Beinen lederne Schutzschienen, wogegen bei den Samniten nur das linke Bein von einer Schiene geschützt wurde. Während sich die Samniten hinter einem schweren Langschild verschanzten, benutzten die Thraker einen kleinen Rundschild. Dem besseren Schutz, den der eine bot, stand die größere Beweglichkeit des anderen entgegen.
Es dauerte lange und forderte erhebliche Erfahrung, bis die Rüstungen der Gladiatoren angelegt waren. Pugnax und Vitellius ließen die Prozedur über sich ergehen, während jeder den anderen aus seiner Ecke fixierte. Beider haßerfüllte Blicke schienen dasselbe zu sagen: »Ich werde dich töten. Ich – dich.«
Die beiden Gladiatoren wurden abgeführt. Sklaven trugen die Waffen. Als Vitellius aus dem düsteren Unterraum an das helle Sonnenlicht trat, bot sich ihm ein grauenvoller Anblick. Das grüne Wasser des Fuciner Sees hatte sich rot verfärbt. Abgesplitterte und schwarzverkohlte Wrackteile trieben auf der Oberfläche, dazwischen Leichen mit aufgeblähten Gewändern. Immer noch versuchten
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