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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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können.
    Schon Tage vor dem großen Schauspiel waren die Römer und die Bewohner der Umgebung angereist, hatten sich auf den umliegenden Hügeln niedergelassen und zwischen lärmenden Geschäftemachern in Zelten oder unter Sonnensegeln wohnlich eingerichtet. Die verwöhnten Römer tauschten gegen Kleidung, Schmuck und allerlei Gebrauchsgegenstände bei der Landbevölkerung Lebensmittel ein, da die Versorgungslage der Hauptstadt wieder einmal kritisch war. Viele der Schiffe, mit denen die Juden außer Landes gebracht worden waren, hatten ihre Zielorte nicht erreicht; niemand wußte so recht, warum – ob aufgrund von Unwettern oder weil die Besatzungen von den unfreiwilligen Passagieren überwältigt worden waren. Jedenfalls verfügte die römische Getreideflotte nur noch über ein Drittel der üblichen Kapazität. Getreide und damit Brot waren knapp. Um soziale Unruhen zu vermeiden, hatte Claudius ein altbewährtes Rezept angewandt: Er ließ ein großes Fest veranstalten.
    Die mit Menschen bevölkerten Hügel um den Fuciner See gaben der Landschaft das Aussehen eines ausladenden Amphitheaters. Getreideverkäufer boten in Tonkrügen Essiglimonade an, Geflügelhändler aus Campanien grillten Hähnchen, fettiger Qualm stieg von den Feuern der Fischverkäufer auf, und die Huren vom Circus maximus hatten ihr Revier vorübergehend verlegt und boten ihre Dienste auf der grünen Wiese an. Aufgebrachte Ehefrauen prügelten sie von der Seite ihrer Männer. Das Buschwerk um den See reichte nicht aus, deshalb vertrieb man sich, angefeuert von vulgärem Geschrei, die Zeit vor aller Augen.
    Fanfarenstöße kündeten von der Ankunft des Kaisers. Umringt von dreißig rotbehelmten Prätorianern, die rücksichtslos in die Menge droschen, wenn das Volk nicht zurückwich, schritt er zu der festlich geschmückten Tribüne am Seeufer. Claudius trug einen prächtigen roten Feldherrnmantel mit goldener Umsäumung, sein kahler Kopf und der hinkende Gang konnten jedoch nicht über sein Alter hinwegtäuschen. Ganz anders die Frau an seiner Seite: Agrippina.
    In einem durchsichtigen, golddurchwirkten Gewand, den Kopf mit dem streng anliegenden Haar in den Nacken geworfen, ließ sie bei dem höflich applaudierenden Publikum keinen Zweifel aufkommen, wer von beiden die Macht ausübte. Agrippina lächelte den Massen zu, obwohl kaum einer das Lächeln erwiderte.
    Die Ehrentribüne faßte etwa tausend Zuschauer, Senatoren, hohe Beamte und Priester, die auch im Theater und Circus die Ehrenplätze einnahmen. Niemandem entging, daß nicht der Kaiser das Zeichen zum Beginn der Spiele gab, sondern Agrippina. Unter ohrenbetäubendem Lärm von Pauken, Tschinellen und Trompeten fuhren fünfzig mit langen Rammspornen versehene Schiffe aufeinander zu. Sklaventreiber peitschten auf die in zwei und drei Reihen übereinandersitzenden Ruderer ein. Die blutverschmierten Lederriemen hinterließen untilgbare Spuren auf den Rücken der angeketteten Sklaven, wenn die Haut aufsprang. Schneidend hallten die Kommandos über den See. Je schneller die Schiffe wurden, desto erregter schrie das Publikum, feuerte die Rudermeister an: »Citius, citius – schneller, schneller!«
    Krachend fuhr der Rammsporn eines Dreiruderers in den Bauch des ersten Schiffes. Wasser drang ein, zog den Bug nach unten. Weil der Eisensporn sich verklemmt hatte, wurde auch das andere Schiff nach unten gedrückt. Jetzt stießen auch andere Schiffe zusammen, einige kenterten. Sklaven schrien; an ihre Ruderbänke gekettet, versanken sie in der Tiefe. An einer Stelle hatten sich mindestens zwanzig Schiffe ineinander verkeilt. Mit Rudern, Prügeln und Kurzschwertern kämpften die Mannschaften gegeneinander, versuchten sich gegenseitig ins Wasser zu stoßen oder den Rudersklaven auf einer Seite die Arme abzuschlagen, damit das Schiff manövrierunfähig würde. Ihre Schmerzensschreie drangen nicht bis an das Ufer; das Publikum tobte vor Begeisterung und übertönte den Lärm der Kampfhandlungen.
    Von irgendwoher flog eine brennende Fackel in den Schiffspulk. Innerhalb von Sekunden standen die Schiffe in Flammen. Qualmend und zischend legte sich das erste zur Seite und verschwand brodelnd unter der Wasseroberfläche, die sich braun und rot zu färben begann. Leichen mit ausgebreiteten Armen und Beinen trieben auf dem See zwischen einzelnen Armen, Stöcken und Schilden. Mitglieder der Schiffsbesatzungen, die sich schwimmend an das nahe Ufer zu retten versuchten, wurden von den Wächtern am Ufer

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