Der Gladiator
ihr der Liebe hingegeben hatte, von Manlius ertappt und auf widerwärtige Weise erpreßt worden war.
Eine Weile sagte Mariamne nichts, dann erhob sie sich, trat an das hohe Fenster, das den Blick in den duftenden Garten freigab, und fragte: »Warum hast du das getan?«
»Ich habe mich vergessen«, beteuerte Vitellius, »es hätte nie geschehen dürfen, ich weiß, es war wie ein Rausch. Aber die Priesterin hat mich so sehr an ein Mädchen erinnert, das ich sehr geliebt habe …«
»Was ist mit diesem Mädchen?« unterbrach Mariamne.
»Sie war eine Jüdin. Sie wurde ausgewiesen. Jedenfalls war sie eine von jenen Unglücklichen, die keinen Unterschlupf fanden und die Behörden nicht bestechen konnten. Ich war in Ostia, als ihr Schiff in See stach.«
»Wo hat man sie hingebracht?«
»Das wissen die Götter. Es waren Getreideschiffe, mit denen die Juden außer Landes gebracht wurden. Wie man hört, ist mehr als die Hälfte der Flotte gesunken. Vermutlich ist sie ertrunken, vielleicht wurde ihr Leichnam an irgendeiner Küste an Land gespült.«
Mariamne drehte sich um und sah Vitellius in die Augen. »Du liebst dieses Mädchen sehr?«
»Gewiß. Ich würde mein Leben für sie geben.«
»Und du kannst schweigen?«
»Man soll mir die Zunge abhacken, wenn ich auch nur ein Geheimnis verrate, das du mir anvertraust!«
»Gut«, sagte Mariamne und begann leise zu sprechen. »Du sollst wissen, daß die römische Getreideflotte nicht untergegangen ist. Neptun war Merkur noch nie so wohlgesonnen wie in diesem Jahr. Die Schiffe, die nicht mehr zurückgekehrt sind, liegen nicht auf dem Meeresgrund, sie wurden von den Juden gekapert und umgeleitet, jedes in einen anderen Hafen. Jüdische Kaufleute erwarteten die Schiffe bereits, versorgten jeden einzelnen Passagier, so daß er seinen Weg nach Palästina finden konnte, dann wurden die Schiffe umgebaut und mit neuer Farbe versehen. Hundertmal.«
Vitellius hatte den Bericht Mariamnes mit Staunen verfolgt. »Woher weißt du das?« fragte er ungläubig. Mariamne schwieg. »Ich verstehe«, sagte er, »Pheroras …«
»Ja«, antwortete die Besucherin, »Pheroras hat die Hafenaufseher bestochen, damit die Ausgewiesenen Waffen an Bord nehmen durften.«
»Und der Grund?«
»Seine Flotte war nicht ausgelastet. Die Schiffe des Kaisers nahmen ihm die besten Aufträge weg. Jetzt nicht mehr.«
»Beim Merkur, der den Handel der Völker gedeihen läßt! Niemand in Rom kann Pheroras das Wasser reichen.«
Mariamne lächelte gequält, und Vitellius empfand wieder die erregende Sinnlichkeit ihrer schönen Lippen. »Er ist mit seinem Geld verheiratet, nur das Geld liebt er, sonst nichts. Wären andere Geschäfte nicht weit einträglicher, ich bin sicher, er hätte auch mich schon verkauft.«
Trauer und Resignation standen in Mariamnes ebenmäßigem Gesicht. Das unerfüllte Leben hatte ihr erste Falten um den sinnlichen Mund gegraben. Wie schön, dachte Vitellius, muß diese Frau in jungen Jahren gewesen sein. Gewesen sein? Nein, sie war schön. Das dichte, hochdrapierte, dunkle Haar, die schmalen runden Schultern, breite ausladende Brüste, dabei eine wespenhafte Taille und breite runde Hüften. Diese Frau war eine Schönheit, die nur zum Erblühen gebracht werden mußte. Seit er sie zum erstenmal gesehen hatte, fühlte Vitellius sich zu ihr hingezogen. Anders als bei Rebecca, der er das Gefühl, sie beschützen zu müssen, entgegengebracht hatte, löste diese Frau bei ihm Gefühle der Geborgenheit aus. Er genoß ihre körperliche Nähe, und eine seltsame Art der Lust überkam ihn.
»O Vitellius«, sagte Mariamne, während sie den Jüngling an ihre Brust zog, »ich werde von allen Frauen Roms beneidet, weil vierhundert Sklaven bemüht sind, mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen, weil ich meine Tage wie die Kraniche je nach Jahreszeit in einer anderen Provinz verbringen kann, wo wir große Besitzungen haben, und weil ich jeden Tag neuen Schmuck und andere Kleider trage. Aber all das täuscht nur darüber hinweg, daß ich alleingelassen und ohne Liebe lebe. Ich zahle ein Vermögen für ein bißchen Zärtlichkeit – glücklich bin ich dabei nicht.«
Durch die gelbe Seide ihres Gewandes fühlte Vitellius die erregenden Bewegungen ihrer Brüste. Willenlos ließ er seinen Mund über den kalten Stoff gleiten, und an der Stelle, an der er ihre Brustwarzen vermutete, fuhr er mit der nassen Zunge über die bebenden Rundungen. Mariamne atmete tief: »O Vitellius!« Der Jüngling gab sich
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