Der Gladiator
besonders, entweder begeisterten sie sich für eine Villa im Grünen, weit außerhalb der Stadt, oder sie errichteten luxuriöse Stadthäuser, möglichst zentral gelegen. Vorstadthäuser wie dieses, zu ebener Erde mit einem großen Empfangsraum, Bad und kleineren Räumen für das Personal ausgestattet, im oberen Stockwerk mit zwei Schlafräumen, solche Häuser waren vor allem bei Emporkömmlingen beliebt, bei Freigelassenen, die auf irgendeine Art zu Geld gekommen waren.
Vitellius fühlte sich in seinem Domizil wie ein Kaiser. Es fiel ihm nicht leicht, die Realität zu begreifen. Vor wenigen Wochen noch sollte er als Verschwörer hingerichtet werden. Wäre ihm nicht die Vestalin Tullia begegnet, kein Hahn würde mehr nach ihm krähen. Und nun hatte er die düstere Zelle im Ludus magnus mit einem eigenen Haus und mit eigenem Personal vertauscht.
Nach Beendigung der Morgentoilette verschwand Pictor, kehrte aber kurz darauf wieder zurück und verkündete: »Mariamne, Pheroras' Gemahlin, ist eingetroffen. Sie wartet im Atrium.«
»Entbiete ihr meinen Gruß«, sagte Vitellius, »ich komme sofort.« Damit warf er sich schnell die Tunika über und ging hinab.
»Ein freudiger Morgengruß, Mariamne«, trat er ihr strahlend entgegen, »der Tag muß ein Glückstag werden, wenn einem schon des Morgens Aurora, die Rosenfingrige, begegnet.«
»Ich erwidere deinen Morgengruß«, antwortete Mariamne. »Du bist nicht nur ein großer Kämpfer, ich glaube, auch als Schmeichler hast du deine Vorzüge!« Verlegen blickte Vitellius zu Boden. »Pheroras meinte, ich solle nach dem Rechten sehen und fragen, ob du irgendwelche Wünsche hast.«
Vitellius trat mit ernstem Gesicht an Mariamne heran, die auf einer Liege Platz genommen hatte, kniete mit einer heftigen Bewegung nieder, faßte ihre Hand und küßte sie. »Ich bin dir und deinem Gemahl zu großem Dank verpflichtet!« sagte er und blickte schüchtern zu ihr auf.
Mariamne überließ ihm ihre Hand gern. »Du mußt dir keine Gedanken machen«, sagte sie, »Pheroras hat noch keinem etwas geschenkt, auch mir nicht. Alles, was er tut, ist für ihn ein Geschäft. Und wenn er dich heute fördert, dann weiß er schon ziemlich sicher, daß er morgen ein Vielfaches aus dir herausholt. So ist er.«
Der Jüngling sah die Frau ungläubig an. »Ja«, meinte Mariamne, »Geld ist sein Beruf. Und gäbe es kein Geld, ich glaube, er würde es erfinden, er ist ein zweiter Krösus.«
»Jeder Kampf«, entgegnete Vitellius, »ist für ihn ein Risiko, es steht immer fünfzig zu fünfzig.«
»Ich glaube nicht, daß Pheroras eine Sache angeht, deren Erfolgschancen nur fünfzig zu fünfzig sind. Ich bin ganz sicher, er wird dir eine solche Ausbildung angedeihen lassen und dir Gegner auswählen, daß der Kampf zur Routine wird.«
»Aber Ludi werden vom Kaiser oder vom Ädil angesetzt, und auch die einzelnen Paarungen werden von ihnen bestimmt oder durch das Los ermittelt.«
»Pheroras hat eine feste Überzeugung. Sie lautet: Jeder Mensch ist käuflich. Er behauptet sogar, der Kaiser sei bestechlich – man müsse ihm nur eine entsprechende Summe bieten. Jedenfalls wird Pheroras der erste sein, der einen Kaiser kauft. Davon bin ich überzeugt. Er hat sich das römische Bürgerrecht erkauft, obwohl jedermann in der Stadt weiß, daß wir aus Judäa stammen. Und hättest du seiner Einladung nicht freiwillig Folge geleistet, er hätte wohl den Ludus magnus und alle Gladiatoren aufgekauft.« Mariamne lachte.
»Pheroras sagte, es sei dein Wunsch gewesen, mich zu sehen …«
»Ja, so ist es. Das heißt, meine Tochter Tertulla berichtete von deinem Schicksal und meinte, dieser Mann müsse sehr außergewöhnlich sein, wir sollten ihn kennenlernen. Ich sagte, warum nicht, und trug unseren Wunsch Pheroras vor. Tags darauf erschienst du in Tibur.«
»… Weil ich Geld brauchte.«
»Das ist keine Schande. Wenn alle, die Schulden haben, ohne Kleider herumlaufen müßten, gäbe es in Rom fast nur Nackte, nur die Sklaven liefen in Gewändern herum. Sogar der göttliche Cäsar hatte am Ende seiner Prätur 72 Millionen Sesterze Schulden.«
»Aber ich brauchte das Geld für einen schändlichen Zweck.«
Mariamne sah den Jüngling fragend an. Der schüttelte den Kopf und blickte verzweifelt zu Boden. Schließlich brach es aus ihm heraus, und er erzählte der Besucherin von der verhängnisvollen Rettung der Vesta-Priesterin, wie er im Hochgefühl seines Sieges die Gefühle der Sechzehnjährigen erwidert, sich mit
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