Der Gladiator
Flaminius senden.«
Während Pheroras auf und ab ging, diktierte er: »Pheroras, Bankier und Geldverleiher, grüßt den Quästor Flaminius. Du weißt, daß ich mich bisher damit beschäftigt habe, denen, die in einer Zwangslage sind, Geld zu verleihen, Häuser und Grundstücke, Schiffe und Transportmittel zu erwerben und sie zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen. Meine Zinsen haben sich stets im Rahmen der Gesetze bewegt, so daß mein Zulauf groß und mein Verdienst einträglich war.
Aus der Provinz Achaia stammt der Satz, daß alles im Fluß sei und sich ständig verändere. So auch der Bankier und Geldverleiher Pheroras. Trotz seiner 55 Jahre fühlt er sich keineswegs zu alt, um nicht noch einmal etwas Neues anzufangen. Ich gebe dir deshalb heute zur Kenntnis, daß ich als Mentor für den Gladiator Vitellius tätig bin. Vitellius ist in meine Dienste getreten, wird von mir entlohnt und für neue Kämpfe vermittelt. Er hat bei seinem letzten Kampf am Fuciner See den Freiheitsstab erhalten und ist damit Herr seiner eigenen Entschlüsse.
Durch seinen Sieg über Pugnax, der spektakulärer nicht hätte sein können, und die vorangegangene Begnadigung auf dem Weg zur Hinrichtung hat Vitellius eine Popularität erlangt, die es gebietet, ihn trotz seiner Jugend in eine Reihe zu stellen mit den großen Namen der Arena.
Deshalb biete ich dir Vitellius für den Hauptkampf der Ludi Plebeii, der Ludi Apollinares oder der Ludi Megalenses an. Mein Schützling wird jedoch nur gegen einen erstklassigen Gegner antreten. Für den Kampf fordere ich 100.000 Sesterze, im Falle des Sieges die doppelte Summe.
Da ich dich in Ausübung deines Amtes oft genug beobachtet habe und deine Qualitäten als Organisator der Spiele zu schätzen weiß, bin ich sicher, daß du auf meinen Vorschlag eingehen und dich mit mir wegen näherer Einzelheiten in Verbindung setzen wirst. Salve!
Post scriptum: Was deine Schulden bei mir betrifft, die mit Beginn des neuen Jahres zur Rückzahlung fällig werden, so mache dir deshalb keine Gedanken.«
Fabius erhob sich. »Ich besorge den Brief sogleich!«
»Die Sonne ist bereits aufgegangen, Herr, erhebt Euch!« Der Sklave, der zu Vitellius ans Bett trat, machte eine artige Verbeugung. Schlaftrunken rieb sich Vitellius die Augen und blickte auf die üppige Obstschale, die der Diener vor ihn hinstellte. Was hatte er gesagt, Herr? Zum erstenmal in seinem Leben hatte jemand ›Herr‹ zu ihm gesagt. Sein Schlaf war verflogen.
»Wie heißt du?« erkundigte sich Vitellius.
»Ich bin Pictor und für Eure persönlichen Belange zuständig. Ich habe im Haus des Pheroras gelernt und meinen Herrn stets zufriedengestellt.«
»Gut«, sagte Vitellius und versuchte, ein wenig souverän zu wirken, wie es seinem Stand als Homo novus, als Aufsteiger, zukam, »dann werde auch ich mit dir zufrieden sein.«
Pictor verneigte sich freundlich. »Außerdem stehen Euch Minucius zur Verfügung, Caenis und Glaphyra. Seid Ihr bereit, sie zu empfangen?«
Vitellius' Schweigen deutete Pictor als Zustimmung. Er klatschte in die Hände, und sogleich erschienen die übrigen Hausbediensteten und machten ihre Aufwartung. Pictor beendete die Vorstellung mit einer resoluten Handbewegung, und Vitellius nickte dankend. Minucius brachte eine Schüssel mit Wasser herbei, und Pictor betupfte mit einem nassen Schwamm Gesicht und Achselhöhlen seines jungen Herrn.
»Am Vormittag steht das Training im Ludus des Polyclitus auf dem Programm, mittags trefft Ihr Euch mit Pheroras in seinem Stadthaus, der weitere Tag steht zu Eurer freien Verfugung.«
Erst jetzt fand Vitellius in die Wirklichkeit zurück. Pheroras hatte dem Gladiator einen Privatlehrer engagiert, Polyclitus, einen ehemals berühmten Gladiator, der, seit er im Kampf eine Lähmung des linken Armes davongetragen hatte, als Lanista tätig war. Doch Pheroras schätzte seine Fähigkeiten als Trainer höher ein als sein Geschick als Gladiatorenvermittler. »Geschenkt«, hatte Pheroras gemeint, »geschenkt wird dir nichts«, und seinem Schützling ein tägliches Drei-Stunden-Training auferlegt.
Das Haus, in dem Vitellius wohnte, lag ein Stück Weges hinter dem Circus maximus an der Via Appia, nicht weit von der Stelle entfernt, an der die Via Latina nach Osten abzweigt. Umgeben von Pinien und Zypressen in einem blühenden Garten vermittelte es den Eindruck gepflegter Vorstadt-Idylle, kein Stadtpalais, aber auch kein ausladendes Landhaus. Die Römer schätzten Häuser dieser Art nicht
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