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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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lange an, schließlich sagte er zögernd: »Verrate mir deinen Namen, dann will auch ich dir ein Geheimnis anvertrauen.«
    »Also gut.« Die Maske willigte ein. »Beginne du!«
    Piso sprach flüsternd: »Gegen Nero ist eine Verschwörung im Gange, der namhafte Römer angehören. Wir treffen uns unregelmäßig an verschiedenen Orten und diskutieren neue Attentatspläne. In Rom ist es jedoch aussichtslos geworden, an den Kaiser heranzukommen. Er nimmt keinen Schluck Wasser, keinen Bissen Nahrung ohne Vorkoster, er meidet die Öffentlichkeit, und bei seinen Auftritten im Theater oder Circus ist er von einer Horde Leibwächter umgeben.«
    »Was bleibt also zu tun?«
    »Es muß auf dem Weg zum Circus geschehen. Dabei sind unsere Chancen am größten.«
    »Und wann soll das sein?«
    »Vielleicht schon morgen bei den Spielen des Apollon. Jedenfalls sind alle Vorkehrungen getroffen. – Nun verrate mir aber dein Geheimnis!«
    »Es sei«, sagte die Kindfrau und erhob sich, »drehe dich um und halte die Hände vors Gesicht, bis ich rufe.«
    Piso tat wie ihm geheißen. Aber er wartete vergeblich auf die Aufforderung, sich umzudrehen. Als er sich umwandte, war die Schöne mit der Maske verschwunden, und Piso beschlich ein Gefühl der Angst.
    Der Raum, in dem er auf seinen Kampf wartete, war Vitellius nicht mehr fremd. Der weiße Marmor an den Wänden und auf dem Fußboden wirkte alles andere als freundlich. In dem fensterlosen Gemäuer mit den langen Fackelstäben an den Wänden herrschte die beklemmende Atmosphäre eines Mausoleums, nur daß der Massagetisch in seiner Mitte keinen Sarkophag trug.
    »Ich werde ihm alle Glieder einzeln zerschlagen!« wütete Vitellius, der mit gesenktem Kopf unruhig auf und ab ging und mit beiden Fäusten auf einen imaginären Gegner einschlug. Die Muskeln seines Körpers glänzten ölig, um die Hüften trug er einen Lendenschurz, die Füße steckten in ledernen Sandalen, deren Bänder um die Waden gewickelt waren, Riemen mit Fransen umspannten die Unterarme etwa in der Mitte, und die Fäuste schützten Riemen, in die kleine Eisenringe eingearbeitet waren. Er tänzelte von einem Bein auf das andere.
    Um ihn herum standen drei Männer und eine Frau: Pictor, sein Leibsklave, der offizielle Sekundant für diesen Kampf, Vitellius' Trainer Polyclitus, ein Sklave aus dem Lager seines Gegners Spiculus und Mariamne. Der Sklave des Gegners war auf Vitellius' Wunsch anwesend. Umgekehrt hatte er seinen Sklaven Minucius in das gegnerische Lager geschickt, um irgendwelche Unkorrektheiten von vornherein zu unterbinden. Die Anwesenheit einer Frau war höchst ungewöhnlich, wurde aber, da Mariamne die Stelle des Mentors vertrat, geduldet.
    Keiner im Raum interessierte sich für den Ablauf der Spiele draußen im Circus des Nero. Auch daß der Kaiser im Augenblick zur Laute sang, kümmerte die Frau und die vier Männer wenig. Ging es doch in wenigen Augenblicken um Leben und Tod des Gladiators. Er, dem ihre Unruhe nicht verborgen blieb, suchte nach ermunternden Worten: »Eure Angst ist, scheint mir, größer als die meine. Dabei ist dies ein ganz gewöhnlicher Tag im Leben des Gladiators. Glaubt mir, die Blitze des Jupiter jagen mir mehr Furcht ein als die Schläge eines Spiculus; denn Jupiters Blitze sind unberechenbar, den Fäusten eines Spiculus aber kann man mit Mut und Geschicklichkeit begegnen.« Bei diesen Worten verteilte er Schläge in die Luft.
    Doch die Worte des Vitellius beruhigten weder Polyclitus, der seinen Schützling für diesen Kampf aufs beste vorbereitet hatte, noch Mariamne, die den Festveranstalter Arruntius Stella zu sich gerufen und ihm mit eindringlichen Worten verständlich gemacht hatte, daß der Wunsch ihres verstorbenen Mannes nicht ihr Wunsch sei. Mariamne wollte einen fairen Kampf, und der Sieger sollte eine halbe Million Sesterze erhalten. »Dann wird die Faust entscheiden!« hatte Arruntius enttäuscht bemerkt, und Mariamne hatte geantwortet: »Wie dies bei einem Faustkampf üblich ist.«
    Vitellius setzte sich auf den Massagetisch und hielt seinem Trainer den rechten Fuß hin. Polyclitus rauhte mit einem Schmirgelstein die Ledersohlen des Gladiators auf. »Du mußt tanzen«, sagte er beschwörend, »tanzen wie eine nubische Hure, immer in Bewegung bleiben, dem Gegner keine feste Angriffsfläche bieten, hörst du?«
    Der Gladiator nickte geistesabwesend. Er sah sich längst in der Arena, in diesem Hexenkessel von Menschen, die nur darauf warteten, daß es um einen von beiden

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