Der Gladiator
Kreuzen errichtet war. Seit den Massenhinrichtungen unter Tiberius und Caligula hatten die Römer ein solches Schauspiel nicht mehr gesehen.
Aber diesmal sah man darin kein Verdienst des Kaisers. Im Volk wurde ein Meinungsumschwung spürbar. Um die Massen zu besänftigen, gab es nur eines: Spiele, Spiele!
K APITEL 11
I nmitten des grünschillernden Teiches schwamm ein goldglänzendes Floß. Menschen in glitschigen Häuten von Fröschen ruderten die schwimmende Bühne langsam durch das Wasser, aus dem hier und dort Nymphen mit weißen Schleiern auftauchten. Auf der schwimmenden Landschaft inmitten des Sees ragte eine goldene Palme empor, unter ihr schlug ein schöner nackter Jüngling klagende Töne aus seiner Leier. Apollon besang die Insel Delos, wo er einst unter einer Palme von Mutter Leto geboren wurde.
Schauplatz der Theaterszenerie war die Parkanlage des Agrippa, die der Schwiegersohn des Augustus auf dem Mars errichtet hatte. Der ehemalige Admiral, dem einst bei Actium die römische Flotte unterstand, hatte bei dieser Anlage eine besondere Vorliebe für Wasserspiele gezeigt und weder an künstlichen Wasserfällen noch an Springbrunnen gespart. Am Ufer des Teiches, auf dem sich die schwimmende Bühne befand, waren Zelte und Pavillons errichtet, in denen die Zuschauer es sich bequem machen konnten.
Ofonius Tigellinus hatte die festliche Eröffnung der Apollinischen Spiele organisiert und dazu die Vornehmen Roms geladen. Eigentlich kommandierte Tigellinus die kaiserliche Leibgarde; aber seine ausschweifenden Ideen für Festveranstaltungen verschiedenster Art hatten schon bald Neros Interesse geweckt, und so war er zum engen Vertrauten des Kaisers geworden. Tigellinus hatte freie Hand, und die Privatschatulle Neros stand ihm jederzeit offen, wenn es darum ging, etwas Neues, noch nie Dagewesenes zu inszenieren.
Hübsche Jünglinge und bezaubernde Mädchen, kaum älter als fünfzehn Jahre, huschten feenhaft von Pavillon zu Pavillon und versprengten betörende Düfte. Ihre rosig geschminkten nackten Körper hoben sich zart vom grünen Uferrasen ab, und der Goldflitter, der ihnen über das Haar gestreut war, blinkte in der künstlichen Beleuchtung.
In einer Grotte aus Tuffstein, die innen mit Blattsilber ausgeschlagen war und den Gesang vom See wie eine riesige Ohrmuschel verstärkte, lagen Mariamne, Fabius und Vitellius um einen Tisch aus weißem Marmor. Exotische Früchte und Leckereien türmten sich, in gläsernen Karaffen funkelte schwerer roter Wein, und salzgetränkte Öllämpchen aus Alabaster loderten unwirklich gelbgrün. Aus dem schummrigen Dunkel vor der Grotte löste sich eine massige Figur.
»Eure Anwesenheit ist mir und dem Kaiser eine Ehre und ein Vergnügen«, und noch ehe einer der drei antworten konnte, fuhr Tigellinus fort: »Wie ich sehe, ist deine Trauerzeit bereits zu Ende.«
Mariamne reagierte ungehalten: »Wie lange soll ich meinem Gatten nachtrauern, damit ich nicht ins Gerede komme? Ein halbes Jahr, ein ganzes Jahr oder noch länger? Soll ich drei Jahre in Trauergewändern gehen wie Marcia, die ihren Sohn verloren hat?«
»Nein, bei allen Göttern Roms«, beschwichtigte Tigellinus Mariamne, »ich pflichte da den Stoikern bei, welche verkünden, unser aller Leben sei vorbestimmt und nichts unterliege dem Zufall. Wozu dann lange Trauer?«
»Dein Kaiser trauert seiner Gattin Octavia auch nicht nach, obwohl ihr Tod erst wenige Wochen zurückliegt«, erwiderte Mariamne; aber Tigellinus ging nicht darauf ein. »Sein ganzes Glück ist Poppäa«, sagte er lächelnd, »sie ist schwanger und wird dem Prinzeps den ersehnten Thronfolger schenken.«
Mariamne stichelte weiter: »Wohl dem, der die Macht hat, seinen Nebenbuhler einfach ins ferne Lusitanien zu schicken …«
»Otho ging auf eigenen Wunsch«, antwortete Tigellinus, »er wollte Statthalter von Lusitanien werden. Nero und Otho sind nach wie vor die besten Freunde.«
»Daß Otho Statthalter werden wollte, glaub' ich wohl, ehrenwerter Tigellinus, aber daß er seine Frau Poppäa aus freien Stücken in Rom zurückgelassen hat und daß der Kaiser und sein Statthalter noch gute Freunde sind, das mag glauben, wer will, ich nicht.«
Tigellinus lachte: »Auf den Mund gefallen bist du gewiß nicht, schöne Mariamne. Ich bin sicher, du stehst deinen Mann, auch ohne deinen Gatten Pheroras. Aber ebenso sicher glaube ich, daß deine Tage als Witwe gezählt sind. Du bist die meistbegehrte Witwe in Rom. Wie man hört, haben dir bereits die
Weitere Kostenlose Bücher