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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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wehrte die Ovationen mit einem Lächeln ab. Sein Gehirn kämpfte noch immer. Abducken, losschlagen, links, rechts. Und auch als er erschöpft auf dem weißen Massagetisch saß und Polyclitus vorsichtig die Schlagriemen von seinen geröteten Fäusten löste, wich er noch mit dem Kopf unsichtbaren Schlägen aus. Mit einem feuchten Tuch, das mit Minze getränkt war, tupfte Mariamne den Schweiß von seinem zuckenden Gesicht. »Vitellius!« flüsterte sie leise, »Vitellius!« Doch der siegreiche Gladiator kämpfte weiter.

K APITEL 12
    M itten in der Nacht schreckte Vitellius hoch. Vor ihm stand ein Schatten, es war Pictor. »Verzeiht Herr, daß ich eure Ruhe störe, Rom brennt!«
    »Laß es brennen!« knurrte Vitellius unwillig; schließlich verging kaum eine Nacht, in der nicht irgendwo irgendein Wohnblock oder eine Häuserzeile ein Raub der Flammen wurde.
    »Nein, Herr«, protestierte Pictor, »das Feuer hat bereits auf ganze Stadtteile übergegriffen. Der Circus maximus steht in Flammen, der Palatin und der Caelius!«
    »Der Caelius?« Vitellius erhob sich. »Das Stadtviertel um den Mons Caelius brennt?«
    »Ja, Herr!«
    Mariamne, dachte der Gladiator, warf sich die Tunika über, band die Sandalen unter und sagte zu Pictor: »Komm!« Auf der Via Appia leuchtete von Norden her der Himmel blutrot. Pechschwarze Pilze schossen wie Fontänen in die Höhe, und je näher sie der Innenstadt kamen, desto heller wurde die Nacht. Versprengte Pferde, Hunde und Katzen kamen ihnen auf dem Weg zum Caelius entgegen, schreiende Menschen rauften sich die Haare, schlugen mit den Fäusten gegen die Brust und riefen verzweifelt: »Das ist das Ende!« – »Rom geht unter!« – »Die Götter rächen unsere Freveltaten!«
    »Sie hat die letzten Tage in ihrem Stadtpalais verbracht!« keuchte Vitellius, während sie unter dem Claudischen Aquädukt hindurchhasteten. Pictor zeigte nach vorne: »Herr, der gesamte Caelius ist ein Flammenmeer!«
    »Du fürchtest das Feuer?« fragte Vitellius.
    »Ja, Herr, ich fürchte es wie den Tod.«
    »Dann kehre um und laufe den Hunden und Katzen nach.«
    »Nein, Herr, meine Furcht ist zwar groß, aber ich folge dir.«
    Beißender Qualm machte das Atmen zunehmend schwerer. Der Boden schien unter ihren Füßen zu beben. Menschen mit rußgeschwärzten Gesichtern und angebrannten Gewändern torkelten ihnen entgegen. Vitellius würgte, als ihm der ekelerregende Gestank verkohlten Fleisches in die Nase stieg. Ein alter Mann, der des Weges kam, klammerte sich geistesabwesend an Vitellius: »Hast du Pluto gesehen mit den roten Augen. Das hier ist seine Welt, die Unterwelt! Das Reich der Schatten.«
    »Geh zum Hades, verrückter Alter!« Vitellius stieß den Mann weg und hastete weiter. Aus den Fensterhöhlen der Häuser zu beiden Seiten der Straße schlugen die Flammen. Erschütternde Schreie drangen aus dem Innern. Herabstürzende Balken und berstende Mauern zwangen den Gladiator und seinen Begleiter, ihren Weg in der Mitte der Straße zu suchen, angstvoll nach oben blickend, ob nicht ein brennender Balken auf sie herabstürzte.
    Als sie in die Straße einbogen, in der das Stadtpalais Mariamnes lag, schlug vor Vitellius der brennende Körper einer Frau auf das Pflaster. Der Gladiator blieb wie gelähmt stehen. Sie hatte sich, schon vom Feuer erfaßt, aus dem Fenster gestürzt. Mit weit aufgerissenen Augen sah Vitellius, wie sich der brennende Arm der Toten plötzlich anwinkelte, als winkte er ihm zu. Vitellius packte seinen Sklaven am Arm, stieß ihn nach vorn und schrie verzweifelt: »Wir müssen Mariamne retten!«
    Eine Horde jugendlicher Plünderer rannte vorbei. Sie schleppten kostbares Geschirr und Ballen von Tüchern und Gewändern fort. »Zurück!« brüllte der Anführer, »zurück, es ist zwecklos. Die Flammen haben eine Wand errichtet!« Die Hitze wurde beinahe unerträglich. Das Prasseln des Feuers trommelte in den Ohren wie das Signal der Herolde im Circus. Und immer wieder hetzten Flüchtende, zeichneten gespenstische Schatten auf das Pflaster. Die Götter mochten wissen, aus welchen Löchern sie kamen. Auf Zurufe antworteten sie nicht – nur fort, fort aus dem Inferno.
    Endlich hatten sie das Palais Mariamnes erreicht. Aus dem Erdgeschoß des Gebäudes schlugen die Flammen. Mit grüngelben Zungen leckten sie an den Fenstern des ersten Stockwerkes. Sklaven, die im Untergeschoß genächtigt hatten und das brennende Haus noch verlassen konnten, liefen vor dem Gebäude wie irrsinnig auf und ab. Eine

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