Der Gladiator
bedeutendsten Männer ihr Herz zu Füßen gelegt.«
»Ich kann sie nicht daran hindern«, sagte Mariamne, »aber wie du siehst, bin ich bereits von zwei klugen und schönen Männern umgeben.«
Fabius und Vitellius lächelten verlegen, und Tigellinus wußte nicht so recht, wie er auf die Antwort reagieren sollte; denn seit Tagen kursierte in Rom das Gerücht, Mariamne werde einen von beiden zum Gatten erwählen. Für Fabius sprach seine Erfahrung in wirtschaftlichen Dingen, er hatte gewiß das Zeug, in die Fußstapfen des Bankiers und Reeders Pheroras zu treten. Gegen Vitellius sprach eigentlich alles: seine Jugend – er war wesentlich jünger als Mariamne, seine mangelhafte Bildung – er hatte gerade erst lesen und schreiben gelernt – und sein Beruf – er genoß als Star-Gladiator zwar die Zuneigung der Massen, von Geschäften aber hatte er keine Ahnung. Nur etwas sprach für ihn: Mariamne liebte Vitellius. Und das hatte sich bereits herumgesprochen.
Tigellinus versuchte vom Thema abzulenken. An Vitellius gewandt, meinte er: »Du kämpfst morgen im Circus des Nero gegen Spiculus. Er genießt die Sympathien des Kaisers.«
»Wessen Sympathien auf Seiten des Spiculus sind, interessiert mich wenig«, antwortete Vitellius gelassen. »Mich interessieren allein seine Qualitäten als Faustkämpfer. Wie ich hörte, hat er noch keinen Kampf verloren. Ist er ein so hervorragender Kämpfer, oder sind nur seine Beziehungen zum Kaiser so hervorragend?«
Tigellinus hob die Schultern: »Das vermag ich nicht zu beurteilen. Im Ludus magnus gilt er als der Beste.«
»Dann werde ich den Besten schlagen!« sagte Vitellius. »Ich habe die letzten Wochen im Faustkampf hart trainiert. Ich habe mit meinen Fäusten Baumstämme bearbeitet und Sandsäcke zerschlagen. Mein Lehrmeister hat mir ein Spezialtraining zuteil werden lassen, das den Gegner zermürben wird.«
Tigellinus lächelte: »Mögen deine Erwartungen in Erfüllung gehen.« Dann verneigte er sich vor Mariamne und verschwand ohne Gruß.
»Dieser stinkende Pferdeknecht!« zischte Mariamne. »Auf dem Forum hat man Statuen von ihm aufgestellt, nur weil er die Hengste für das Renngespann des Kaisers züchtet. Nero bewundert ihn, weil er noch zügelloser und ausschweifender ist als er selbst. Tigellinus teilte das Bett nicht nur mit seiner Mutter, sondern auch mit Caligulas Schwester Julia Livilla. Deshalb wurde er auch in die Verbannung geschickt; aber er kam wieder. Heute hat er das Kommando über die Prätorianer inne, und die meisten fürchten ihn mehr als den Kaiser.«
Fabius nickte. »Er hat sogar Seneca aus dem Palast verdrängt. Einst Neros engster Berater und Vertrauter, hat er sich auf sein Landgut zurückgezogen und beschäftigt sich nur noch mit seinen philosophischen Studien. Man wagt in der Öffentlichkeit kein Wort der Kritik mehr auszusprechen, überall lauern die Spione des Tigellinus. Wir gehen schrecklichen Zeiten entgegen.«
Die Szenerie auf dem goldgelb beleuchteten Teich hatte sich inzwischen verwandelt. Ein Segelschiff mit kompletter Mannschaft an Bord zog langsam wie von Geisterhand getrieben über das Wasser. Die Gesänge der Seeleute wiesen die Besatzung als Griechen aus. Da näherte sich dem Schiff plötzlich ein Delphin, auf dem ein schöner Jüngling ritt. Er zügelte den Fisch auf das Boot zu, sprang an Bord und wendete die Fahrt des Schiffes in entgegengesetzte Richtung. Das illustre Publikum am Ufer jubelte vor Begeisterung über den gelungenen Dressurakt, der Teil einer bekannten Sage aus dem griechischen Mythos war: Apollons Wahl seiner Priester. Das Schiff legte am Ufer an. Der nackte Jüngling mit langen Haaren sprang wie ein funkelnder Stern an Land und lockte die erschreckten Seeleute in seinen Tempel, aus dem alsbald ein duftendes Opferfeuer loderte.
»Als Festveranstalter ist dieser Tigellinus ein Meister«, knurrte Vitellius, und Fabius nahm mit sichtlichem Unbehagen zur Kenntnis, daß der Beifall des Publikums von »Ti-gel-linus«-Rufen unterbrochen wurde. »In der Tat«, sagte Fabius, »er versteht es, die Römer zu begeistern. Und gerade das ist das Gefährliche an ihm.«
Das Schauspiel war zu Ende. Auf einem mit Gold ausgelegten Floß im See spielte eine Kapelle, umgeben von nackten Tänzerinnen, die ihre Reize zur Schau stellten. Lustdirnen huschten von einem Pavillon zum andern und boten sich den Gästen an. Einige trugen Masken vor dem Gesicht, was, da sie sonst nichts am Leibe hatten, ihren Reiz noch erhöhte.
»Nun,
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