Der gläserne Drache
gestellt?“
„Nun, so werde ich der Erste sein, der das tut“, sagte Tanis ruhig. „Zeigt mir eine Frau in Eurem Lande, die besser dazu geeignet wäre!
Schaut sie Euch doch einmal alle genau an, die zahllosen Edelfräulein, die Euren Hof bevölkern! Welche von ihnen könnte es an Klugheit und Schönheit mit Anina aufnehmen? Und doch sollen sie etwas Besseres sein, nur weil sie im Bett eines Edelmannes geboren sind?
Mein Bruder und ich sind im Bett eines Edelmannes geboren, aber hat je einer gesagt: Diese beiden Jungen müssen Fürsten sein?
Nein, Herr, verzeiht, wenn ich Euch so hart meine Meinung sage: Gewährt meine Bitte oder sucht Euch einen anderen Lehnsmann für Torgard! Denn ich werde um keinen Preis auf Anina verzichten!
Und verzeiht, wenn ich Euch daran erinnere, was diese „Bauernmädchen“ für Euch und Euer Reich getan haben. Meint Ihr nicht, dass Ihr ihnen dafür mehr schuldet als eine Unterkunft an Eurem Hof und einen Reitknecht als Ehemann?“
Mendor war sprachlos. So hatte wohl in seinem ganzen Leben noch niemand mit ihm gesprochen. Doch im hintersten Winkel seines Herzens erkannte er die Wahrheit in Tanis‘ Worten.
Eine Weile sagte er nichts und strich sich nur nachdenklich über den Bart. Dabei sah er Tanis prüfend an.
„Nun, Tamao von Torgard“, sagte er dann langsam, „so sollst du sehen, dass auch ein König eingestehen kann, wenn er Unrecht tat.
Du schilst mich zu Recht, denn ich habe den Mädchen nicht den Rang eingeräumt, denn sie aufgrund ihrer Taten und ihrer Fähigkeiten verdienen.
Somit will ich deinen Wunsch, Anina zu ehelichen, gewähren, denn du hast ihren wahren Wert erkannt. Sie wird deinem Land eine gute Fürstin sein.
Und auch ihre Schwester verdient wahrlich mehr, als das Weib eines meine Bediensteten zu werden. Daher will ich sie nicht von ihrer Schwester trennen.
Aber gerade weil du Anina zur Fürstin machen willst, können die beiden Mädchen noch nicht mit euch gehen, wenn ihr aufbrecht.
Es gehört ein wenig mehr dazu als natürliche Klugheit, um mit den Anforderungen eines Fürstenhofs zurechtzukommen. Daher werden die beiden Mädchen so lange unter der Obhut meiner Gemahlin bleiben, bis sie, wie ihr bei Herward und Gondar, ihre Ausbildung vollendet haben.
Ich kann mir nicht denken, dass es dir recht wäre, wenn deine Untertanen deine Gemahlin wegen ihres bäuerischen Benehmens belächeln.
Ihr werdet also mit der Heirat noch zwei Jahre warten müssen“, grollte er dann, „und in diesem Punkt werde ich nicht nachgeben, denn die Fürsten sollten das Vorbild für mein Volk sein!“
Tanis war ein wenig enttäuscht, dass er noch zwei Jahre auf Anina warten sollte, aber er sah ein, dass die Einwände des Königs berechtigt waren.
Anina und er hätten wohl zurzeit noch kein Fürstenpaar abgegeben, das die Bewunderung des Volkes verdient hätte.
Auch wenn es ihn schmerzte, seine Liebste so lange nicht sehen zu dürfen, auch für die Mädchen würde diese Zeit nur von Vorteil sein.
„Ich danke Euch für Euer Verständnis und Eure Fürsorge, Herr!“ sagte er daher. „Wir werden alles dafür tun, um Euch und dem Reich Ehre zu machen. Ihr sollt Euch Eurer Lehnsleute nicht schämen müssen!“
*****
In den folgenden Tagen wurden die Vorbereitungen für die Abreise der Jungen getroffen.
Die beiden Mädchen schlichen betrübt durch die Gegend – Anina, weil sie sich für so lange Zeit von ihrem Liebsten trennen musste, und Tamira, weil Wigo den Mädchen, wo es möglich war, geflissentlich aus dem Wege ging, da er Tamira gegenüber ein schlechtes Gewissen hatte.
Anina hatte der Schwester anvertraut, dass Tanis sie um ihre Hand gebeten hatte und sie beide mit der Erlaubnis des Königs nach Beendigung ihrer Ausbildung nach Torgard holen würde.
Tamira gönnte den beiden ihr Glück von Herzen, aber sie litt entsetzlich darunter, dass Wigo nicht das Gleiche für sie empfand wie sie für ihn.
Malux sah, wie unglücklich sie war, und nahm sie eines Tages auf die Seite.
„Gib die Hoffnung noch nicht auf, Tamira!“ ermunterte er sie. „Wir wissen alle, dass Wigo der Unstetere von den beiden Brüdern ist.
Wo Tanis stets verantwortungsvoll und vorausschauend ist, lässt Wigo die Dinge auf sich zukommen und sucht erst dann nach einer Lösung.
Darum denke ich, dass du ihm die Zeit lassen musst, zur Einsicht zu kommen. Es wäre nicht gut, ihn jetzt schon an dich zu binden und dann erfahren zu müssen, dass
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