Der gläserne Drache
der Sache war.
Wenn sie ihn also nicht ernstlich wütend machen wollte, musste sie tun, was er von ihr verlangte.
Wieder konzentrierte sie sich auf den Leuchter in ihrer Hand. Sie versuchte, dieses Bild an ihre Schwester zu übertragen, indem sie sie in Gedanken rief. Die Mädchen hatten schon öfter festgestellt, dass die eine kam, wenn die andere sie brauchte, ohne dass sie gerufen hatten.
Doch die immer gleich ablaufenden Tätigkeiten auf dem Hof und die tägliche Routine hatten das nicht als ungewöhnlich auffallen lassen, da es sich fast immer um Dinge handelte, wo die eine Schwester stets die Hilfe der anderen benötigte.
Tamira wusste nicht, wie lange sie versucht hatte, Anina das Bild des Kerzenhalters zu übermitteln, aber Romando schien die Zeit zu lang zu werden.
„Nun, was siehst du?“ fragte er daher Anina nach einer Weile ungeduldig.
„Ein Licht! Irgendetwas mit einem Licht“, antwortete Anina zögernd. „Aber ich könnte nicht sagen, was es ist. Es ist zu unklar.“
„Aha! Das ist ein durchaus befriedigender Anfang“, sagte Romando und nahm Tamira den Leuchter aus der Hand. Nichts in seinem Gesicht zeigte noch etwas von dem vorhergegangenen Zornesausbruch.
„Wir wollen es damit für heute bewenden lassen, denn es könnte mehr schaden als nutzen, wenn ich euch zu schnell zu viel abverlange. Ihr könnt jetzt hinaus in den Park gehen, denn ich muss mich jetzt um die Übungen der beiden Jungen kümmern.“ Ohne die beiden Mädchen weiter zu beachten, ging er hinaus.
Die Schwestern sahen sich unbehaglich an. „Hast du wirklich etwas gesehen?“ fragte Tamira ungläubig.
„Du hattest den Kerzenleuchter in der Hand, nicht wahr?“ fragte Anina zurück. „Ich sah ihn ganz deutlich vor meinen Augen, aber das wollte ich Romando nicht sagen.“
„Du hast ihn wirklich gesehen?“ Tamira war verblüfft und entsetzt. „Aber das hieße ja, dass wir uns wirklich mit Bildern verständigen können! Doch was machen wir jetzt? Wenn der Magier das merkt, kommen wir nie mehr von hier fort und er wird uns für seine üblen Machenschaften einsetzen.
Fliehen können wir nicht, das wissen wir von Wigo und Tanis. Und selbst wenn es uns gelänge, würde er uns wohl rasch wieder aufspüren, denn wo sollten wir uns wohl verbergen?
Wir müssen die nächste Gelegenheit nutzen, um uns mit den Brüdern zu beraten. Vielleicht finden wir zusammen eine Möglichkeit, uns vor Romando zu schützen.
Doch komm, lass uns nicht weiter hier reden, sondern in den Park gehen! Wir wissen noch nicht, wem wir hier außer den beiden Jungen vertrauen können.“
3. Eine Verschwörung
Erst am Nachmittag fanden die vier Gelegenheit, ungestört im Park zusammenzutreffen. Der Zauberer hatte die beiden Jungen den ganzen Vormittag durch die schwierigsten Übungen getrieben, so dass sie bleich und überanstrengt an der Mittagstafel erschienen.
So waren die jungen Leute froh, dass er nach dem Essen das Haus verließ mit der Bemerkung, sie sollten nicht mit dem Abendessen auf ihn warten, da er wohl erst spät zurückkäme.
Erleichtert zogen sich die Geschwister unter den missbilligenden Blicken Magrittas , die sie lieber unter ihrer Aufsicht im Haus gesehen hätte, in den Park zurück. Da es angefangen hatte zu nieseln, gingen die vier in den kleinen Pavillon in der Nähe der Stallungen.
Nicht weit entfernt entdeckten sie Malux, der mit einer Schubkarre über den freien Platz zu den Ställen ging. Wigo und Tanis winkt en ihm zu, und zur Überraschung der beiden Mädchen grüßte der Mann zurück.
„Ihr braucht gar nicht so überrascht zu schauen“, sagte Tanis. „Malux ist nur so zurückhaltend, wenn er noch nicht weiß, ob die Zwillinge bleiben, die Romando anschleppt. Auch zu uns war er anfangs mürrisch und wortkarg, aber wie ihr wisst, hat er uns dann zum Lesen lernen verholfen, was bestimmt nicht im Sinne seines Herrn war. Es würde ihm wohl schlecht ergehen, wenn Romando das wüsste.
Aber nun sagt: Wie ist eure erste Prüfung ausgefallen?“
„Zu gut, aber der Zauberer weiß nichts davon!“ antwortete Anina. „Es gelang Tamira schon beim ersten Versuch, mir ein Bild zu übermitteln. Aber ich habe Romando das nicht gesagt, sondern erklärt, ich hätte nur einen vagen Eindruck empfangen. Ich wollte Zeit gewinnen, aber auf die Dauer werden wir es nicht vor ihm geheim halten können.“
„ Das habt ihr sehr gut gemacht!“ nickte Wigo befriedigt. „Denn wir
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