Der gläserne Drache
Zimmer zu gehen. Auch Porgan erhob sich und verließ den Tisch.
Seine Worte hatten den Zwillingen gründlich den Appetit verdorben. So hungrig sie auch gewesen waren, jetzt stocherten sie nur noch lustlos auf ihrem Teller herum.
Malux schaute sie besorgt und fragend an: „Was hat er nun wieder gemacht?“
„Er hat uns jetzt ganz offen mit dem Tode bedroht, sollten wir das gewünschte Ziel nicht erreichen“, sagte Anina mit bebender Stimme.
Tanis ergriff ihre Hand und streichelte sie beruhigend.
„Es war uns doch schon längst klar, dass er uns nicht davon kommen lassen wird, wenn er nicht den gewünschten Erfolg hat“, sagte er, „denn er kann sich keine Zeugen leisten, die beim König Anklage wegen seiner Ausübung von schwarzer Magie erheben könnten.
Aber wir wissen doch auch, dass er uns umbringen wird, wenn er den Drachen bezwingt, da er sonst uns und unsere Kräfte immer fürchten müssen würde.
Wir wissen ja selbst noch nicht, wie weit diese Fähigkeiten reichen, wie sollte er es wissen? Daher wird er dieses Risiko beseitigen, sobald es ihm möglich ist.
Aber sollen wir uns nun kampflos ergeben?“
„Niemals! Und noch besteht ja die Hoffnung, dass es uns doch gelingt, ihn unschädlich zu machen“, rief Wigo unterdrückt. „Daher dürfen wir den Mut nicht verlieren. Und wer weiß, ob er überhaupt noch die Macht hat, uns mit seiner Magie zu töten? Vielleicht schützt das Ritual uns auch davor.
Dann könnte er uns nur mit seinen eigenen Händen umbringen, doch das wird Malux zu verhindern wissen.“
„Darauf könnt ihr euch verlassen!“ sagte Malux mit Nachdruck. „Nicht noch einmal werde ich zulassen, dass dieser Schurke mir Menschen nimmt, die ich liebe!“
10. Ein Doppelspiel
Vier Tage waren vergangen, seit sie Buchhain verlassen hatten. Die Straße, nun nur noch ein schmaler Karrenweg, hatte sie noch durch zwei weitere Dörfer geführt. Einmal noch hatten sie Unterkunft in einem größeren Gehöft gefunden, doch nun ließ Romando jeden Abend bei Einbruch der Dunkelheit ein wenig abseits des Weges die Zelte aufschlagen.
Jeden Abend erwarteten die Zwillinge, dass er sie zur Wiederholung des Kreises auffordern würde. Sie hatten verabredet, bei den nächsten Malen noch keine andere Reaktion zu zeigen als beim ersten Versuch, bis Romandos Wutausbrüche Gefahr signalisierten.
Je weiter sie einen Erfolg hinausschieben konnten, desto näher würden sie dem Ziel ihrer Reise gekommen sein. Sie hofften, die wahre Wirkung des Kreises erst einsetzen zu können, wenn sie den gläsernen Drachen erreicht hatten.
Sie zählten darauf, dass Wigos Idee mit dem Feuer Romando zu dem Glauben veranlasste, sie hätten tatsächlich die Macht erreicht, die er sich von ihrem Zusammenschluss erhoffte.
Aber sie wollten erst nach und nach das Feuer stärker werden lassen, um einen Fortschritt zu demonstrieren.
Da sie in der Lage waren, auch einen starken Feuerstrahl von ihren Händen auszusenden, wollten sie ihm dies als Endergebnis präsentieren, wenn es nötig wurde.
Vielleicht würde er sich davon ja blenden lassen, da die Zeichnung im Buch der Legende ähnlich aussah und die Schilderung nur von einer Kraft sprach, sie aber nicht näher beschrieb.
An diesem Abend schickte Romando Malux auf die Suche nach Feuerholz. Als er außer Sichtweite war, befahl er den Vieren:
„Hoch mit euch und bildet den Kreis!“
Gehorsam stellten sie sich auf, Schwester zu Schwester und Bruder zu Bruder, dann erfassten sie die freien Hände. Wieder spürten sie eine starke Kraft und Einheit durch sich hindurchdringen. Es war ihnen, als sei ihr Kreis von außen durch nichts zu zerstören.
Ihre Gedanken trafen sich, und ihr einheitliches Empfinden war, dass Romandos Magie ihnen keinen Schaden mehr zufügen konnte, sobald ihre Runde geschlossen war.
Romando beobachtete sie gespannt. Er bemerkte zwar, dass ihre Augen einen strahlenden Glanz bekamen, aber von dem Schein, der ihren Händen entströmen sollte, war nichts zu bemerken.
Er ließ sie eine Weile so stehen, dann merkten die vier, dass er ungeduldig wurde. Anina sandte ein Gedankenbild und ließ sich dann plötzlich mit einem Aufseufzen zu Boden sinken, als habe alle Kraft sie verlassen. Auch die anderen ließen sich nach und nach auf die Knie fallen.
Romando knurrte verärgert. Da er aber von sich selbst wusste, dass die Anwendung von Magie an den Kräften zehrte, glaubte er, die Zwillinge seien noch nicht
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