Der gläserne Sarg
einzige Abtrennung einen zerschlissenen Wachstuchvorhang aufwies, stand ihr Bett – und von dem Moment an, an dem sie verstanden hatte, was um sie herum vorging, mußte sie fast Nacht für Nacht das Stöhnen ihrer Mutter anhören, wenn diese wieder unter einem Mann lag. Nur selten war es ein ›Onkel‹, den sie länger sah. Die Liebhaber wechselten wie Dämmerung und Morgenröte, und von den paar Cents, die sie auf dem kleinen Tisch neben dem Bett zurückließen, kaufte sich ihre Mutter neue Kleider. Der Hunger ihres Kindes kümmerte sie wenig. Mit zwölf Jahren wagte Peggy die erste Auseinandersetzung. Die Antwort der Mutter auf ihre Vorwürfe war: Du bist ja jetzt alt genug. Verdiene dir doch selbst etwas zu essen und verschaff dir das Geld, um die Kleider kaufen zu können. ›… es gibt genug Männer, die mit Kindern schlafen wollen …‹
Damals war sie aus dem Wohnwagen gerannt, heulend vor Wut, Zorn und Enttäuschung. Zuerst versuchte sie es mit anständiger Arbeit. Ein Messerwerfer des Zirkus, dem sich ihre Mutter gerade angeschlossen hatte, verletzte seine Partnerin tödlich. Peggy wurde seine neue Assistentin. Innerlich vor Angst schlotternd, stellte sie sich Abend für Abend vor das Brett – und sandte Stoßgebete gen Himmel, bis das letzte der zwölf Messer neben ihr steckte. Doch der Messerwerfer, ein bulliger Ire, interessierte sich bald mehr für sie persönlich. Und sie zog aus, aus dem Abteil in dem Wohnwagen ihrer Mutter – und mußte dann Nacht für Nacht den Mann über sich haben. Sie lernte es, ihm vorzumachen, sie empfinde etwas dabei, wenn er sich über sie stürzte wie ein wildes Tier und sie, das zarte Kind, mit seinem massigen Körper fast unter sich begrub. Eines Tages hörte sie unbemerkt die Unterhaltung von zwei anderen Zirkusmitgliedern mit, die sich darüber unterhielten, daß der Messerwerfer eigentlich der Polizei gemeldet werden müsse, denn ein 13-jähriges Mädchen sexuell auszunützen, sei doch wohl strafbar …
Da erkannte sie ihre Chance. Von diesem Tage an war sie die Besitzerin des Wohnwagens; der Ire mußte sich eine neue Partnerin suchen – und mit dieser war er eines Morgens auch verschwunden. Zurück blieb eine über Nacht erwachsene Peggy, die sich schwor, nie mehr hungern zu müssen und nie mehr das herzugeben, was sie sich so bitter hatte erringen müssen. Sie fand einen Drahtseilartisten, der ihr Kunststücke beibrachte, so daß sie beim Zirkus bleiben konnte, denn sie hatte erkannt, daß die Männer, vor allem die anscheinend ehrbaren, auf die Tingeltangel-Mädchen flogen. – Und hatte sie solche Männer erst einmal im Bett, dann mußten diese das Vergnügen teuer bezahlen. Einmal drohte sie mit ihrer Jugend, einmal mit einem Besuch bei der Ehefrau … und stets hatte sie Erfolg.
Bis sie eines Tages Ray kennenlernte. In einem Kino saß er neben ihr …
»Hallo, wir sind da, Miß …«
Mit den Gedanken an ihre Vergangenheit beschäftigt, hat sie nicht bemerkt, daß der Fahrer bereits in der Park Lane hält …
Sie schiebt ihm die sieben Dollar durch die Trennscheibe und steigt schnell aus.
Das Haus, in dem Ray sein Apartment hat, wirkt trostlos, natürlich hätte sie ihn längst in einer vornehmeren Gegend einmieten können, aber sie wollte ihn nicht zu übermütig machen, wollte ihn stets wissen lassen, von wem er, der mittellose Abkömmling aus der New Yorker Bronx, abhängt. Schon genug, daß sie ihm das Studium bezahlt … seine Ausbildung soll ihnen beiden die Möglichkeit eröffnen, in die ›Upperclass‹ aufzusteigen. Sie nimmt den Schlüssel aus der Tasche – schließlich gehört ihr die Wohnung – und öffnet die Tür. Schon fühlt sie sich umarmt. Ein kräftiger junger Männerkörper preßt sich an sie … Ray hat auf sie gewartet … er ist nackt …
Schon auf dem Weg in das kleine Zimmer, das für ihn Wohn- und Schlafzimmer gleichzeitig ist, fängt er an, sie zu entkleiden. Ihre abwehrenden Gesten und Worte erstickt er mit drängenden Küssen.
Da wehrt sie sich nicht länger. Ja, sie hilft ihm sogar, als er viel zu hastig versucht, ihr den Slip auszuziehen. Die Strümpfe läßt sie an … sie weiß, wie sehr er den Reiz der Strapse mag …
Seine Hände und seine Lippen lassen sie in einem Meer der Leidenschaft versinken. Ihre kleinen Brüste heben sich ihm spitz entgegen, ihr Schoß öffnet sich ihm …
Später, als sie schweißgebadet aus dem Rausch aufwachen, schmiegt sie sich fest in seine Arme. Sie streicht die schwarzen Haare aus
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