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Der gläserne Sarg

Der gläserne Sarg

Titel: Der gläserne Sarg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fehlenden dreißig Minuten? Ob sich da Lieutenant Collin nicht einmal darum kümmern sollte?«
    »Moment mal, Chef«, Collin greift sich das Telefon und drückt den Knopf zum Sekretariat. »Ich möchte Mrs. Vanhuisen in der Pension ›Star‹ sprechen, Avenue St. Mills …« Dann legt er wieder auf.
    Wortlos sitzen sich Jacklow und Collin einige Minuten gegenüber.
    Als es klingelt, hebt Collin schnell ab.
    »Mrs. Vanhuisen? Entschuldigen Sie, wenn ich Sie nochmals stören muß. Sie waren heute nacht so freundlich, mir einige Auskünfte über Miß Peggy Whyler zu geben … selbstverständlich, die Aussage bleibt vertraulich … nun habe ich noch eine Frage: War Miß Whyler, als sie zurückkam, irgendwie auffällig gekleidet? … Nein? … Uns wurde bekannt, daß sie ihren Bühnenanzug anbehielt … das ist richtig? … Und finden Sie das nicht ungewöhnlich? … Und es stimmt, daß Miß Whyler etwa um zweiundzwanzig Uhr nach Hause gekommen ist? … Vielen Dank, Mrs. Vanhuisen, Sie haben mir sehr geholfen. Kann sein, daß ich Sie nochmals belästigen muß … ich darf doch? … Zu reizend, Mrs. Vanhuisen, und es wird selbstverständlich kein Aufsehen geben. Keiner Ihrer Gäste wird etwas merken … Vielen Dank, Mrs. Vanhuisen.«
    Aufatmend legt Collin den Hörer beiseite.
    »Na, ich habe ja gar nicht gewußt, daß Sie so hervorragend Süßholz raspeln können, Collin …« Der Lieutenant überhört diese Spitze: »Sie sagt, daß Miß Whyler öfter Hosenanzüge trage … bei ihrer Figur sehe das besonders sexy aus … deshalb wäre es ihr auch nicht aufgefallen, daß es gestern abend nur der Bühnenanzug gewesen sei.«
    »Nun sind wir so schlau wie zuvor … Auf alle Fälle wird die Aussage des Portiers protokolliert … und Sie, Collin, werden doch noch Gelegenheit bekommen, diese Miß Whyler einmal in Augenschein zu nehmen. – Aber zuerst wollen wir einmal sehen, was uns der Direktor zu enthüllen hat.«
    Jacklow gibt dem Sekretariat Anweisung, das Büro von Blondie anzurufen – und erhält nach einigen Minuten die Nachricht, daß Direktor Blondie noch nicht im Theater sei, er wäre jedoch in seinem Haus zu erreichen.
    »Dann werden wir den Mann einmal in seinen vier Wänden aufstöbern … kommen Sie, Lieutenant.«

7.
    Zur gleichen Stunde kommt Peggy Whyler aus ihrem Zimmer. Diesmal ist sie in ein schickes, auf Figur geschnittenes Kostüm gekleidet, das ihre schmale Taille besonders gut zur Geltung bringt. Ihre hochhackigen Pumps zwingen sie, die steile Treppe langsam hinunterzuschreiten, was ihrem Auftritt nur noch mehr Reiz verleiht. Peggy weiß das; sie genießt es, die Blicke der Menschen auf sich zu ziehen. Allerdings wäre es ihr diesmal lieber gewesen, wenn sie weniger Aufmerksamkeit erzielt hätte. – In der Halle sitzen immerhin der geschwätzige Mister Cramer, ein selten beschäftigter Tänzer, und der aufdringliche Mister Mortinson, der immer noch nicht wahrhaben will, daß seine Zeit als erster Liebhaber längst vorbei ist. Und Mrs. Vanhuisen tritt gerade auch aus ihrem Büro.
    Nun ist eh nichts mehr zu retten. Spätestens bis heute abend werden es alle Gäste des Hauses wissen, daß Miß Peggy Whyler in einer Aufmachung, in der man höchstens zum Cocktail geht, bereits gegen Mittag das Haus verlassen hat … doch Ray legt ja Wert darauf, daß sie so attraktiv gekleidet zu ihm kommt. Was würde sie für ihn nicht alles tun … Peggy verläßt die Pension, biegt über den Kiesweg auf die Straße und bald darauf um die Ecke. So können neugierige Augen aus den Fenstern der Pension wenigstens nicht mehr sehen, daß sie das nächste vorbeifahrende Taxi anhält. »Zur 23. Park Lane«, weist sie den Taxifahrer an.
    Dann lehnt sie sich aufatmend zurück. Gott sei Dank, bald wird diese Versteckspielerei vorüber sein. Dann hat sie erreicht, was sie von frühester Jugend an wollte: reich sein, sich nicht mehr Abend für Abend einem sensationslüsternen Publikum aussetzen zu müssen, sich schöne Kleider leisten zu können und – den Mann zu verwöhnen, den sie liebt. Auch wenn er selbst nicht mit großen Gütern gesegnet ist. Sie will nicht abhängig sein, sie will nicht mehr ›danke‹ sagen müssen, sie will endlich vergessen, was sie in ihrer Kindheit und Jugend zu erdulden hatte.
    Sie schauert, als sie daran denkt, wie ihr Zuhause aussah. Noch heute kann sie sich an jede Ecke des schäbigen Wohnwagens erinnern, mit dem ihre Mutter von Wanderzirkus zu Wanderzirkus zog. In einem kleinen Abteil, das als

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