Der gläserne Schrein (German Edition)
Giftanschlags verdächtigt. Mit etwas Glück sehen wir ihn bald auf dem Richtplatz. Was Hyldeshagen angeht: Da fällt mir schon noch etwas ein.»
«Das rate ich Euch», knurrte der Ältere. «Ihr wisst, dass wir nicht mehr viel Zeit haben.»
15. KAPITEL
«Ich werde mich später in der Stadt umhören. Zuerst sollten wir versuchen, noch einmal in die Chorhalle zu gelangen», schlug Christophorus am Nachmittag vor, als Meister Kozarac und Jolánda am Büchel eintrafen.
«Warum in die Chorhalle?», fragte Jolánda erstaunt.
Marysa hingegen nickte zustimmend. «Ihr glaubt, dass der angesägte Balken und der Giftanschlag miteinander zusammenhängen.»
«Ich glaube es nicht nur, ich bin mir sicher», bestätigte Christophorus. «Erst dachte ich, die Sache mit dem Balken hätte Meister Goldschläger gegolten, aber nun sieht es so aus, als sei in Wahrheit Hyldeshagen das Ziel der Anschläge. Um zu beweisen, dass Euer Gemahl», er blickte Jolánda kurz an, «nichts damit zu tun hat, müssen wir zuerst herausfinden, weshalb man es auf seinen Konkurrenten abgesehen hat.» Er wandte sich an Marysa. «Habt Ihr noch Verbindungen zu Johann Scheiffart?»
Sie nickte. «Hin und wieder – geschäftlich.»
«Gut.» Christophorus nickte zufrieden. «Dann solltet Ihr umgehend Kontakt zu ihm aufnehmen und versuchen, uns eine Besichtigung der Chorhalle zu ermöglichen.»
«Warum tut Ihr das nicht selbst?», wollte Jolánda wissen. «Herr Scheiffart kennt Euch gut, und auch, wenn Ihr kein Inquisitor mehr seid …»
Christophorus schüttelte den Kopf. «Ich habe offiziell keinerlei Befugnisse mehr, mich in eine gerichtliche Untersuchung einzumischen. Ich möchte mir und auch Euch, mit Verlaub, nicht noch mehr Ärger einhandeln, weil ich meine Kompetenzen überschreite.»
«Vielleicht könnt Ihr Euch an Bruder Eldrad wenden», schlug Marysa vor. «Er ist doch Dominikaner wie Ihr und ebenfalls ein Inquisitor. Gewiss wird er Euch helfen.»
Christophorus war sich da nicht so sicher, erwog ihren Vorschlag jedoch. «Ich werde ihn bei Gelegenheit aufsuchen», sagte er.
***
«Frau Marysa, wartet bitte einen Augenblick!» Auf dem Parvisch kam Marysa der großgewachsene Johann Scheiffart entgegen. «Ich muss mit Euch sprechen!»
Marysa blieb stehen. «Herr Scheiffart, aus demselben Grund bin ich auf dem Weg zu Euch.»
Scheiffart nickte schwer atmend und winkte ihr, ihm zu folgen. «Geht es Eurer Frau Mutter gut?», erkundigte er sich knapp und hielt ihr umsichtig die Tür auf, als sie an dem Stiftshaus ankamen, in dem er wohnte. Marysa gab Jaromir, der sie begleitete, ein Zeichen, draußen auf sie zu warten. Scheiffart führte sie in sein Empfangszimmer, das zugleich als Schreibstube diente, rückte ihr einen Stuhl zurecht und setzte sich selbst hinter sein schweres Pult.
«Was glaubt Ihr, wie meine Mutter sich fühlt?», stellte Marysa eine kühle Gegenfrage.
Scheiffart schwieg einen Moment, bevor er antwortete. «Ihr müsst mir glauben, dass ich ganz und gar nicht erfreut bin über die Anklage, die man gegen Meister Goldschläger erhebt. Er ist ein ausgezeichneter und ehrlicher Goldschmied; schon mit seinem Vater hat das Marienstift lange sehr gute Geschäfte gemacht. Wir setzen alles daran, die Vorfälle der vergangenen Tage aufzuklären.»
«Die beiden Unfälle.»
«Den Unfall und den offensichtlichen Anschlag», sagte Scheiffart bedächtig. «Wir haben einen fähigen Kanoniker verloren und müssen ihn nun durch einen Mann von außerhalb ersetzen, da im Marienstift niemand sonst das nötige Wissen hat, um die Bauaufsicht in der Chorhalle zu übernehmen. In wenigen Wochen soll die Einweihung stattfinden, ganz zu schweigen vom Besuch unseres Königs Sigismund, der, wie man hört, nächstes Jahr nach Aachen kommen will, um sich endlich krönen zu lassen.»
«Der König kommt nach Aachen?», fragte Marysa erstaunt nach. «Aber doch wohl nicht gleich zur Einweihung?»
«Nein», antwortete Scheiffart. «Das Datum steht noch nicht fest. Wahrscheinlich im Herbst. Aber Ihr werdet nun verstehen, wie immens wichtig es ist, die Chorhalle zügig fertigzustellen, und wie wenig Zeit uns bleibt, die Vorfälle aufzuklären.»
«Meister Goldschläger hat ebenfalls einen fähigen Mann verloren» unterbrach Marysa ihn. «Genauso wie Meister Hyldeshagen.»
«Dessen bin ich mir durchaus bewusst.» Ungeduldig begann Scheiffart, mit den Fingern auf die Tischplatte zu klopfen. «Euer Tonfall lässt vermuten, dass Ihr hinter dem ersten Unfall auch
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