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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Eure Gewissensfrage? Sie muss äußerst schwerwiegend gewesen sein, wenn Ihr darüber ein so hohes Amt wie das des Inquisitors aufgegeben habt.»
    Bruder Christophorus erwiderte seinen Blick, spürte jedoch, dass er sich auf dünnem Eis bewegte. Deshalb wählte er seine Worte erneut mit großem Bedacht. «Verzeiht mir, Bruder Eldrad, aber dies ist eine Angelegenheit, über die ich nicht offen sprechen kann und darf. Ein …» Er schluckte und senkte den Blick. «Ein falsches Urteil in einem Prozess gegen einen Mann, den man der Ketzerei beschuldigte.» Er machte eine kurze Pause bevor er leise weitersprach. «Der wahre Sünder wurde erst nach Vollstreckung des Urteils gefasst …» Er brach ab und griff mit leicht zitternder Hand nach seinem Weinbecher.
    Bruder Valentin stieß einen mitleidigen Laut aus; Bruder Eldrad sagte zunächst nichts, dann hob er wie zum Segen die Hände. «Ich werde nicht weiter in Euch dringen, Bruder Christophorus. Ein Inquisitor spricht Recht im Namen Gottes, so wird Euch auch vergeben werden, wenn Ihr Euch selbst vergebt.»
    «Amen», murmelte Christophorus.
    «Habt Ihr schon von den Reliquien gehört, die die Familie unseres geliebten Bruder Priors dem Konvent gestiftet hat?», durchbrach Bruder Simeon die Stille mit betont heiterer Stimme. «Ihr müsst sie Euch später unbedingt ansehen, Bruder Christophorus. Wir haben die Meisterwitwe Markwardt beauftragt, in ihrer Werkstatt einen passenden Schrein anfertigen zu lassen …»
    Christophorus atmete auf. Den restlichen Abend gab er acht, dass das Gespräch nicht mehr auf verfängliche Themen gelenkt wurde.

16. KAPITEL
    Als Marysa zu Hause ankam, erfuhr sie von Grimold, dass Bruder Christophorus kurz nach ihr fortgegangen und noch nicht zurückgekehrt war. Also nahm sie ihr Abendessen wie immer in Gesellschaft ihrer beiden Knechte ein, zog sich anschließend mit einer großen Öllampe in ihr Kontor zurück, um die Aufzeichnungen Scheiffarts zu studieren. Sieben Schreine forderte er an, alle mit Schnitzwerk und Malereien versehen. Sie runzelte die Stirn. Schnitzwerk – das könnte ein Problem werden. Weder Heyn noch Leynhard waren ausgesprochene Künstler, was das Schnitzen anging. Hin und wieder hatte sie deshalb einen Gesellen aus der Werkstatt ihres Schwiegervaters, Enno Markwardt, angefordert. Doch für einen so großen Auftrag konnte sie nicht dauerhaft einen fremden Gesellen ausleihen.
    Sie überschlug in Gedanken die Kosten und ihren voraussichtlichen Gewinn. Währenddessen kam ihr die Idee, in der kommenden Woche im Zunfthaus nachzufragen, ob es einen Gesellen gab, der sich aufs Schnitzen verstand und kurzfristig bei ihr anfangen konnte. Auf einer Wachstafel notierte sie sich in Stichworten, welche Posten sie am kommenden Morgen noch würde ausrechnen müssen. Mit Leynhard und Heyn müsste sie außerdem besprechen, ob sie neben dem Auftrag für die Dominikaner bis Januar wenigstens zwei oder drei Schreine für die Chorhalle würden fertigstellen können.
    Ein geisterhaftes Heulen ließ sie aus ihren Gedanken aufschrecken. Sie hob lauschend den Kopf und schmunzelte dann. Die Wettervorhersage der Wäscherin Lise hatte sich wieder einmal bestätigt. Ein scharfer Wind war aufgekommen, pfiff ums Haus und stieß fauchend durch den Kamin herab. In der Küche hörte sie Balbina fluchen. Vermutlich war ein Schwall Ruß durch den Rauchabzug hereingedrückt worden.
    Der Wind rüttelte nun auch am Fensterladen des Kontors, und Marysa fiel siedend heiß ein, dass im Obergeschoss vermutlich noch Fenster offen standen. Ein lauter Knall bestätigte ihre Befürchtung. Rasch stand sie auf und eilte mit der Öllampe die Stiege hinauf. Aus einer der Gesindekammern kam ihr Imela entgegen, die einen Nachttopf vor sich hertrug.
    «Sei vorsichtig, wenn du hinausgehst», ermahnte Marysa das Mädchen. «Der Wind scheint schnell stärker zu werden.»
    «Ja, Herrin. Ich beeile mich», antwortete Imela artig und huschte nach unten. Marysa ging zunächst in ihre eigene Kammer und verriegelte die Fensterläden. Dann warf sie einen Blick in die Gesinde- und Gesellenkammern. Hier waren zum Glück alle Fenster fest verschlossen. Schließlich blieb sie vor der Gästekammer stehen, in die sie Bruder Christophorus einquartiert hatte. Sie zögerte und ärgerte sich sogleich über ihre Hemmungen, den Schlafraum ihres Gastes zu betreten.
    Entschlossen stieß sie die Tür auf und trat in den dunklen Raum. Die Öllampe warf ein diffuses Licht an die Wände. Eilig ging

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