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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Christophorus übereingekommen, Johann Scheiffart in ihren Verdacht einzuweihen. Sie suchten das Marienstift auf, wo ihnen der Kanoniker aufmerksam, jedoch etwas skeptisch zuhörte. Schließlich trat er an eines der Fenster seines Empfangszimmers und blickte schweigend hinaus. Als er sich wieder umdrehte, drückte seine Miene Besorgnis aus. «Wenn tatsächlich jemand versucht, die Bauarbeiten an der Chorhalle zu behindern, könnte uns das in große Schwierigkeiten bringen. Die Einweihungsfeier lässt sich nicht mehr verschieben. Sie ist fest für den sechshundertsten Todestag des heiligen Karls geplant. Wenn wir diesen Termin nicht halten können …» Er unterbrach sich selbst und schüttelte den Kopf. «Nein, die Halle muss geweiht werden, auch wenn sie noch nicht vollendet ist. Nun ja», schränkte er ein, «ganz fertig wäre sie sowieso nicht geworden, aber doch wohl so weit, dass Dach, Fenster und die wichtigsten Vergoldungen vorhanden sind.»
    «Aber fällt Euch denn jemand ein, der einen Grund haben könnte, die Bauarbeiten zu verhindern, und dazu sogar den Tod von Menschen in Kauf nimmt?», fragte Marysa.
    Scheiffart ging zu seinem Pult zurück und setzte sich. «Nein», antwortete er. «Beim besten Willen fällt mir niemand ein. Aber falls es sich tatsächlich so verhält, wie Ihr vermutet – und dem werde ich natürlich nachgehen –, dann müssen wir umso schneller den Schuldigen finden. Wir haben schließlich auch einen Ruf zu wahren.»
    Irritiert hob Marysa den Kopf. «Was meint Ihr damit, Herr Scheiffart?»
    Der Kanoniker zuckte mit den Schultern. «Im nächsten Jahr will König Sigismund nach Aachen kommen, um seine längst überfällige Krönung nachzuholen. Ich erzählte Euch bereits davon. Er reist dazu aus Böhmen her und wird anschließend zum großen Kirchenkonzil in Konstanz fahren.»
    Marysa nickte, und Scheiffart fuhr fort: «Der König hat zusammen mit Papst Johannes   XXIII. zu diesem Konzil aufgerufen, auf dem, wie man hört, grundlegende Reformen beschlossen werden sollen.»
    «Will der König nicht auch endlich das Elend der drei konkurrierenden Päpste beseitigen?», warf Christophorus ein.
    Scheiffart nickte. «So ist es. Zu diesem Konzil wird der König wohl ordnungsgemäß bekrönt erscheinen wollen, um seinen Machtanspruch zu unterstreichen.» Er seufzte. «Was aber ergibt es für ein Bild, wenn die Krönungsstadt Aachen nicht einmal den Anbau ihres Doms ordentlich fertigstellen kann? Wie viel prunkvoller wäre die Krönungszeremonie, wenn wir die Chorhalle miteinbeziehen könnten! Doch so, wie sie jetzt ist, mit der provisorischen Trennwand … Das wäre schrecklich, versteht Ihr, Frau Marysa?»
    Ehe sie antworten konnte, gab Scheiffart ihr und Christophorus ein Zeichen, ihm zu folgen. «Kommt, wir sprechen mit Bruder Jacobus, unserem neuen Baumeister. Er wird uns sagen können, ob es möglich ist, dass die Fensterscheiben absichtlich zerstört oder auch nur manipuliert worden sind.»
    Schweigend gingen sie hinter dem Kanoniker her, über den Parvisch bis in den Dom hinein. Schon von weitem hörten sie die Stimmen der Männer, die dort arbeiteten. Scheiffart fragte einen der Augustinermönche, die die Altäre in der Pfalzkapelle und der angrenzenden Ungarnkapelle mit neuen Kerzen versahen, nach Bruder Jacobus und fand ihn schließlich in der Matthiaskapelle, die wie die Chorhalle kurz vor ihrer Fertigstellung stand. Der Augustiner begutachtete gerade den Putz, der wohl kurz zuvor auf die Wände aufgetragen worden war. Scheiffart stellte ihm Christophorus und Marysa vor und fasste kurz zusammen, weswegen sie zu ihm gekommen waren. «Was sagt Ihr dazu, Bruder Jacobus?», fragte Scheiffart zum Schluss. «Haltet Ihr es für möglich, dass jemand die Fensterscheiben absichtlich zerstört hat?»
    Der Baumeister, ein kleiner, drahtiger Mann mit hellbraunem, an den Schläfen bereits ergrautem Haar und einer auffällig gebogenen Nase, ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Er musterte erst Marysa, dann Christophorus sehr eingehend, als wolle er sich versichern, dass sie sich keinen Scherz erlaubten. Schließlich schüttelte er den Kopf. «Das ist eine weit hergeholte Verdächtigung, findet Ihr nicht?», näselte er, und es klang, als sei er erkältet. «Aus welchem Grund sollte jemand so etwas tun?»
    «Ihr haltet es also für unmöglich, dass jemand die Scheiben manipuliert hat», hakte Christophorus statt einer Antwort nach. In seiner Stimme schwang leichte Ungeduld mit.
    «Das habe ich

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