Der gläserne Schrein (German Edition)
ergeben …»
«Nun, wäre es Euch vielleicht recht, am Donnerstag hinzufahren? Abt Winand ließ mir ausrichten, dass er sich über Euren Besuch sehr freuen würde. Er zieht in Erwägung, mit Euch über den Kauf einer Reliquie für das Kloster zu sprechen. Am Donnerstag fährt einer der Brüder aus dem Augustinerkloster mit dem großen Wagen nach Kornelimünster und könnte Euch mitnehmen.»
Marysa lächelte. «Das ist ein sehr freundliches Angebot, Herr Scheiffart, das ich gerne annehmen werde. Ich hoffe, für einen meiner Knechte wird auch Platz auf dem Wagen sein?»
Scheiffart lachte. «Mehr als genug, das versichere ich Euch! Also abgemacht. Bruder Konrad wird Euch am Donnerstag zur Terz bei Eurem Haus abholen.»
Marysa bedankte sich bei dem Kanoniker und blickte sich nach Christophorus um, der in das Gespräch mit den beiden anderen Dominikanern vertieft war. Nachdem Scheiffart gegangen war, betrat sie deshalb erneut den Dom und blickte abwartend auf die drei Männer. Christophorus warf ihr zwar einen kurzen Blick zu, konnte sich jedoch offenbar nicht gleich loseisen, deshalb machte Marysa sich schließlich allein auf den Heimweg.
***
«Warum bist du ohne Begleitung in der Stadt unterwegs?», beschwerte sich Jolánda, statt sie zu begrüßen. Sie war Marysa bereits an deren Haustür entgegengekommen und umarmte sie kurz, aber heftig.
Marysa zuckte mit den Schultern. «Ich war gar nicht ohne Begleitung. Bruder Christophorus ist allerdings im Dom geblieben, um mit Bruder Valentin zu sprechen, den wir dort zufällig getroffen haben. Da ich nicht ewig auf ihn warten wollte, bin ich das kurze Stück eben allein zurückgegangen.»
«Aber Kind, du weißt, dass sich das nicht schickt», protestierte Jolánda ein weiteres Mal, doch dann winkte sie ab. «Was soll’s. Bei diesem Wetter dürfte sowieso niemand auf der Straße gewesen sein, oder? Mir ist auch keine Menschenseele begegnet, als ich herkam.»
Marysa hakte sich bei ihrer Mutter unter und ging mit ihr in die Stube. «Was führt dich denn überhaupt her?», wollte sie wissen.
«Ach, mir ist einfach die Decke auf den Kopf gefallen.» Jolándas Stimme schwankte ein wenig. «Ich war heute Morgen schon ganz früh bei Bardolf. Es geht ihm nicht besser, Marysa! Was, wenn er noch kränker wird und im Gefängnis stirbt?»
«Beruhige dich, Mutter.» Marysa setzte sich an den Tisch. Jolánda tat es ihr gleich. «Ein kräftiger Mann wie Bardolf stirbt nicht an einer Erkältung. Wirken denn die Kräuter, die Meister Langhäuser ihm gebracht hat, überhaupt nicht?»
«Ich weiß nicht. Der Husten sitzt vielleicht nicht mehr so fest. Dennoch sieht er so elend aus, Marysa. Ich weiß einfach nicht, was ich tun und wie ich ihm noch helfen soll!» Jolánda schniefte in ihren Ärmel. «Als du damals eingesperrt wurdest, war es wenigstens mitten im Sommer. Aber jetzt kommt der Winter … Es ist so erbärmlich kalt in dieser Zelle. Ich habe ihm eine weitere Decke gebracht und neue Kleider, aber was hilft das, wenn die Wände rings um ihn kalt wie Eis sind?»
Marysa seufzte, da sie auch keinen Rat wusste. «Er wird es schon überstehen, Mutter. Hast du etwas Neues von den Schöffen gehört?»
«Nicht viel», antwortete Jolánda. «Vater war ein weiteres Mal in der Acht und hat so lange gewartet, bis die Sitzung der Schöffen zu Ende war. Aber sie sagen uns einfach nichts. Vater meinte, sie wüssten vielleicht ebenso wenig weiter wie wir und schwiegen deswegen. Aber sie können doch Bardolf nicht bis in alle Ewigkeit eingesperrt lassen, nur weil Ansem ihn beschuldigt hat!»
«Das werden sie auch nicht», kam Christophorus’ Stimme von der Tür her. Er schüttelte seinen Mantel aus und warf ihn nachlässig über eine der hohen Stuhllehnen. «Wie ich erfahren habe, befragt man morgen noch einmal Hyldeshagens Knechte und am Montag oder Dienstag Meister Goldschläger, so es ihm bis dahin wieder besser geht. Mit etwas Glück kommt er danach wieder frei.»
«Mit etwas Glück?», echote Marysa spöttisch. «Solange die Schöffen keinen anderen Schuldigen finden, werden sie den Teufel tun », sie betonte die Worte besonders deutlich, «und ihn freilassen, Bruder Christophorus.»
Verärgert blickte er sie an. «Ihr hättet nicht ohne mich nach Hause gehen müssen, Frau Marysa», sagte er kühl. «Ein wenig mehr Geduld hättet Ihr wohl aufbringen können.»
«Ihr wart beschäftigt. Ich wollte Euch nicht in dem Gespräch mit Euren Mitbrüdern stören», sagte sie
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