Der gläserne Schrein (German Edition)
Ihr seid wahnsinnig!» Marysa starrte ihn voller Entsetzen an. «Ihr habt Euch nicht nur als Mönch ausgegeben, sondern als Inquisitor!» Kurz schloss sie die Augen und stieß dann ein kurzes hysterisches Lachen aus. «In einem Prozess wegen Ketzerei! Wenn das herausgekommen wäre …»
«Ist es aber nicht.»
«Ja.» Sie blitzte ihn feindselig an. «Weil Ihr Eure Rolle verdammt gut spielt. Habt Ihr auch nur einen Moment daran gedacht, was geschehen könnte, wenn man Euer Geheimnis aufdeckt?» Ehe er antworten konnte, hob sie gebieterisch die Hände. «Dann seid Ihr auch noch so dreist, Ablassbriefe zu verkaufen.» Wieder lachte sie schrill. «Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass sich die Menschen ihre Sündhaftigkeit gegen Geld vergeben lassen – Ihr betrügt sie sogar doppelt, weil das Papier, auf dem Eure heiligen Sprüche stehen, nicht einen Heller wert ist.»
Christophorus verschränkte die Arme vor der Brust. «Ähnlich wie die Heiltümer, die Ihr an arglose Pilger verscherbelt, nicht wahr? O nein, spart Euch das Geschwätz. Ich wusste damals schon, dass die Anklage gegen Euch nicht völlig aus der Luft gegriffen war. Ihr gestaltet Euren Handel vielleicht um einiges gewitzter, als es Euer Gatte selig getan hat, aber der Plunder, den Ihr in den Truhen in Eurem Kontor unter Verschluss haltet, stammt von überall her, nur nicht von irgendwelchen Märtyrern.»
Marysa schnappte empört nach Luft. «Ich verkaufe den Menschen Symbole der Hoffnung und des Gebets, keine wertlosen Versprechungen.»
Christophorus’ Mundwinkel zuckte. «Auch ein Ablassbrief ist ein Symbol der Hoffnung, Marysa. Wenn Ihr schon der Ansicht seid, dass Ablässe gegen Geld nichts bewirken – worin ich übrigens voll mit Euch übereinstimme –, solltet Ihr auch zugeben, dass das, was wir beide tun, sich durchaus ähnelt.»
«O nein, das tut es nicht.» Auf Marysas Stirn hatte sich mittlerweile eine steile Falte gebildet. Aufgebracht stapfte sie in der kleinen Kammer auf und ab. «Aber als wäre das nicht schon schlimm genug, schleicht Ihr Euch auch noch in meine Familie ein, Bruder Christophorus.» Diesmal betonte sie die Anrede sarkastisch. «Mag sein, Ihr wolltet damals tatsächlich Euer Versprechen gegenüber Aldo einlösen. Aber warum seid Ihr jetzt zurückgekehrt?» Sie trat auf ihn zu und starrte ihn wütend an. «Was führt Ihr im Schilde? Wolltet Ihr Euch in der Verkleidung des Mönchs bei mir einschmeicheln? Wie der Pfaffe in den unflätigen Schwänken, die die Gaukler während der Kirmes zum Besten geben?»
Er schüttelte den Kopf. «Ich hatte nicht vor …»
«Was?» Sie trat einen Schritt auf ihn zu. «Euch an mich heranzumachen?» Sie schnaubte abfällig. «Seht mir in die Augen und erklärt mir, warum Ihr es dennoch getan habt!» Sie drehte sich mit einem Ruck um und wollte zur Tür hinausstürzen, doch Christophorus hielt sie an den Schultern fest.
«Das würde ich, Marysa», sagte er. «Wenn Ihr mir auch dabei in die Augen seht.»
«Rührt mich nicht an!» Sie versuchte sich zu befreien, aber es gelang ihr nicht. «Ich will nicht …»
«Sieh mich an!», forderte er erneut und drehte sie mit sanfter Gewalt zu sich herum.
Sie versuchte sich zu wehren. Christophorus legte ihr eine Hand unters Kinn und zwang sie, den Kopf zu heben. Widerwillig blickte sie ihm in die Augen und spürte, wie ihr Herz zu rasen begann.
Er erwiderte ihren Blick ruhig, jedoch mit einer Intensität, die sie bis ins Mark traf. «Ich hatte nicht vor, mich in dich zu verlieben, Marysa. Niemals, das darfst du mir glauben.»
Sie konnte sich seinem Blick ebenso wenig entziehen wie seinem festen Griff. «Ihr seid ein Lügner und Betrüger, Bruder Christophorus!»
«Das bin ich ohne Zweifel», gab er unumwunden zu. «Ich war es fast die Hälfte meines Lebens, Marysa. Aber nicht jetzt.» Er zog sie fest an sich und küsste sie, bevor sie protestieren konnte. «Dies ist keine Lüge», flüsterte er und verschloss ihren Mund erneut mit seinen Lippen.
Marysa stieß einen verzweifelten Laut aus, denn die Gefühle, die der Kuss in ihr auslöste, drohten sie zu überwältigen. Gleichzeitig fühlte sie die Wärme seiner Haut, die ihr dicht gewebtes Unterkleid mühelos zu durchdringen vermochte. Ihre Beine drohten unter ihr nachzugeben, und sie hatte kaum noch Kraft, sich gegen das zu wehren, wonach ihr Körper geradezu schrie.
Christophorus spürte, wie Marysas Widerstand mehr und mehr erlahmte. Das Blut rauschte in seinen Ohren und raste wie
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