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Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
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Major inmitten der hektischen Zerstörungswut, wie er kühl und interessiert eine Dornenranke beobachtete. An dieser Ranke hatten die Ne Paresen ein Zelt aufgehängt, und nun versuchte sie der Feuersglut zu entgehen, indem sie sich nach oben bog, doch folgten die brennenden Fetzen des Zeltes notgedrungen dieser Bewegung. Da geschah etwas Seltsames: die Ranke wurde plötzlich durchsichtig wie Glas, begann dabei von innen her in weißem Feuer zu erstrahlen, fiel in ihre alte Lage zurück und alles war wie vorher – nur der Stoff brannte nicht mehr.
    »Als ob sie alle Wärmeenergie in sich hineingesaugt hätte«, flüsterte der Kapitän.
    Der Major schien erst jetzt zu bemerken, dass Kali neben ihm stand. Erstaunt schaute er den Kapitän an, dann zuckten seine Mundwinkel verächtlich. »Ich glaube, diese Feuerchen haben die Moral der Truppe erheblich gebessert.« Die, Bemerkung des Majors traf Kali wie ein Keulenschlag. Misstrauisch forschte er in dessen Zügen, ob er eine Spur von Ironie feststellen könne, doch der Major erwiderte ernst seinen Blick, und so hielt Kali es für das klügste, die Worte des Majors zu ignorieren.
    »Major, haben Sie feststellen können, in welche Richtung die Ne Paresen geflohen sind?«
    »gewiss, Kapitän, sie haben sich genau in Richtung des Zentrums der Kuppel zurückgezogen, wenn ich mich nicht täusche.«
    »Zum Kotzen!« sagte Kali. »Hätten sie nicht woandershin gehen können?«
    »Vielleicht – aber ich glaube, wenn wir Leute, die in solchen Zelten wohnen, fangen könnten, käme uns das sehr zustatten. Wir sollten es versuchen.«
     
    Belustigt beobachtete der Fürst den Chefpriester der Fysithi, der sich ächzend von dem drahtigen Nägar durch die Spalte zwischen den weißen Schlangen des Waldbodens hinabzerren ließ. Bisher hatte der Fürst den gewaltigen, Ehrfurcht gebietenden Körperbau Artoms bewundert; hier jedoch war ein so mächtiger Leib zweifellos hinderlich.
    Wann hatte der Alte wohl zum letzten Mal das innerste Waldheiligtum besucht, überlegte Ämar. Sicherlich vor Jahrzehnten. Er wandte sich zu Fren um und sah ihren spöttischen Blick.
    »Wirst du dem Fürsten von Zaina auch jetzt erlauben, deinem Gardeleutnant zuvorzukommen, Fren, obgleich der – wie ich sehe – schon bereitsteht?«
    Er reichte ihr galant den Arm zur Stütze, den sie mit den Fingerspitzen berührte.
    »Noch diesmal!« entgegnete sie, »aber ich fürchte, mein Leutnant wird mir den Dienst aufsagen. Nicht wahr?«
    Sie streichelte leicht mit der Spitze des Federzepters das Gesicht des jungen, stattlichen Offiziers. Dessen Lächeln verkrampfte sich, und als er fühlte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss, verneigte er sich tief und hoffte, dass sich die spöttischen Blicke des fürstlichen Ehepaares bald wieder von ihm abwenden würden.
    Vom Fuß des Waldes her wehte ein brenzliger Geruch brennender Stoffe herauf, der sich in den Duft der schweren Parfüms der Priester und Würdenträger mischte.
    »Wir scheinen nicht mehr allzu viel Zeit zu haben«, bemerkte Ämar plötzlich ernst. Er warf einen besorgten Blick in die Spalte, durch die sie noch alle hinuntersteigen mussten. Artom hatte sich endlich hindurchgequält und war in der Tiefe verschwunden.
    Gerade, als der Fürst sich anschicken wollte, ihm zu folgen, drängte sich der Chiliarch der Fragonreiter durch die Menge der Priester und Gardesoldaten und sank vor Ämar aufs Knie.
    »Verzeiht, wohlgeborener Fürst …«
    »Ich weiß, ihr seid Fragonreiter, die Herren der Winde, und ihr habt keine Furcht!« unterbrach ihn der Fürst. »Ihr seid entlassen, ihr braucht uns nicht ins Innere des Waldes zu folgen! Geht jetzt!«
    Der Chiliarch erhob sich und zog sich mit seinen Männern zurück. Nur jener entsetzliche Fragongestank blieb und überlagerte sogar den Brandgeruch für eine Weile.
    Nachdem der Fürst durch die Spalte hinabgekrochen war in das Gewirr aus bleichen Wurzeln, die aussahen wie die Windungen eines Hirns, folgte die Hohe Gemahlin und ihr wiederum der Kaptin der Leibwache.
    Ihn erfreute die Aussöhnung zwischen Ämar und Fren nicht besonders, denn die Nähe der beiden erschwerte sein Amt. Jetzt zum Beispiel beunruhigte ihn, den Fürsten von zwei anderen Menschen umgeben zu wissen, deren er sich zwar im Augenblick sicher zu sein glaubte, von denen aber keiner in der Lage sein würde, den Fürsten wirksam zu schützen.
    Hinter dem Kaptin folgten in langer Reihe die anderen Chefpriester mit ihren Tempelwächtern und die Würdenträger

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