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Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
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weil Es kaum mehr von der Welt, in die Es eingreifen wollte, verstand, als ein Mensch, wenn er sich mit dem geometrischen Begriff des Punktes befasst.
    Bei all dem schwierigen Denken wurde das Moam sehr unsicher und ängstlich. Am liebsten hätte Es eine Trauerode verfasst, doch daran hinderten Es die Bruchstücke des großen Epos, die nach wie vor Seine Schöpfungskraft durch ihre Anwesenheit lähmten.
    Schließlich, nachdem das Moam lange im Trüben Seines Denkens flatternd umhergeirrt war, fiel Ihm plötzlich ein, was Es tun konnte. Es überprüfte den gesamten Energiehaushalt Seiner Gastwelt und stellte dabei Unregelmäßigkeiten fest, die tatsächlich zu ernster Besorgnis Anlass gaben. – und wiederum verfingen sich Seine Gedanken in Verwirrung und Angst.
    Meist kommt Gefahr aus der Ferne, dachte das Moam, weil Es solches aus eigener Erfahrung kannte, und darum griff Es in die Zeit zurück bis zu jenem Punkt, da Es selbst hier angekommen war. Dort brach das Moam eine Schlucht in den Raum und errichtete eine hohe Mauer aus Zeit rings um das Sonnensystem, so dass von außen nichts mehr eindringen konnte in diese Welten, deren Bewohner Es liebte.
    Gerade wollte sich das Moam befriedigt in sich selbst zurückgleiten lassen, da begriff Es, dass nichts erreicht war, dass Es nur eine Möglichkeit eliminiert hatte, und zwar die falsche. In tiefer Verzweiflung nahm Es die Suche in den düsteren Höhlen Seines schwachen, zersplitterten Geistes wieder auf.
    Forschend in sich selbst versunken erfüllte das Moam den kleinen Kosmos, den Es von allem anderen isoliert hatte. Es kam dabei so nahe an den höllischen Schlund ewiger Verzweiflung wie nur je ein Wesen, das sich der Erkenntnis nähert; aber der eigene Wahn rettete Es. Das Moam spürte, dass nicht nur auf Ne Par Intelligenzen wohnten, sondern auch noch auf einer anderen kleineren Welt, die sonnenfern um einen Riesenplaneten kreiste. Die Menschen dort mochte das Moam nicht, weil sie mit jener harten, kühlen Folgerichtigkeit dachten, die das Moam hasste, weil Es dieser Logik nicht fähig war. Und nun beging das Moam Seinen großen Fehler.
    Das Moam hatte sich nie Gedanken über die Sprache der Menschen gemacht, obgleich Es doch zu ihnen reden wollte. Es hatte unter den vielen Möglichkeiten, die sich Ihm anboten, den variationsreichsten Kode ausgewählt, die Sprache der Biochemie. Für das Moam schien dies eine glückliche Wahl zu sein; für die Menschen war es eine Katastrophe.
    »Wenn jene kühlen Denker auf Adapor, dem entlegenen Mond, meine Dichtung nicht mögen, dann werde ich ihnen eine Silbe ihrer Sprache wegnehmen, die sie nötig brauchen«, überlegte das Moam. »Und nur aus Meinen Gedichten können sie diesen Mangel von Zeit zu Zeit ausgleichen.«
    Es kam dem Moam dabei niemals in den Sinn, dass chemische Verbindungen für Menschen keine Silben oder Worte sind. Jedenfalls war es von da an unmöglich, auf Adapor das Proferment phi zu synthetisieren. Dass das Moam durch diesen Eingriff in die Ökonomie des Mondes Adapor eben jene historische Entwicklung bedingte, zu deren Verhütung sie eingeleitet worden war, blieb ihm verborgen. Freilich hatte Es sich auf diese Weise auch eine kurze Frist des Glücks verschafft, denn ohne Proferment-phi-Mangel auf Adapor hätte es auf Ne Par nie eine Beerenernte gegeben. Nie hätte das Moam sonst die Befriedigung erlebt, ein dankbares Publikum für Seine Kunstwerke zu haben, dem es Sein ganzes Schaffen widmen konnte. Dabei war das nur ein katastrophales Missverständnis.
     
    Der Gehilfe des Lagermeisters, ein dürrer, hochaufgeschossener Mensch, hätte Admiral Franzik um mehr als Haupteslänge überragt, wenn er sich nicht stets mit gebeugtem Rücken und gesenktem Haupt bewegt hätte, als könne er sich seine Körpergröße bei der Stellung, die er innehatte, nicht leisten.
    »Einige Sekunden, bitte, Hoheit! Bevor ich den Behälter hereinholen kann, muss ich ihn erst fluten.«
    Franzik nickte gleichgültig. Die Zeit, in der er Eile gehabt hatte, war vorbei. Was noch bevorstand, war die unabwendbare Katastrophe. Es war sinnlos, sich jetzt noch zu beeilen.
    Durch einen Knopfdruck ließ der Lagergehilfe den Vakuumbehälter in den Kühlraum gleiten. Der Behälter sah aus wie ein schrankgroßer Drahtkäfig, der in eine entsprechend große Schleusenkammer gefahren wurde, um dort dem Vakuum des Raums ausgesetzt zu werden.
    In dem Drahtkäfig befand sich in der Haltung einer tanzenden Quelle die Leiche Vizeadmiral Lübars. Auf der

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