Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
auslegen, und zwar so, dass Passanten, die zum Schaufenster hereinsahen, die Bücher erkennen konnten.
Ambers Traum war es, ihren Laden zu einem Mekka für all jene zu machen, die für ihr Heim nur die allerbesten seidenen Stoffe suchten.
Sie wusste, dass es nicht leicht werden würde, Robert zu überzeugen.Trotz seiner doch recht irregulären sexuellen Orientierung zeigte er sich, was die korrekte Lebensführung seiner Gattin betraf, erstaunlich konservativ.
Alles in allem kamen sie und Robert recht gut miteinander aus, obwohl Amber oft das Gefühl beschlich, dass sie diejenige war, die in ihrer Ehe die größeren Zugeständnisse machte. Nur sehr selten gestattete sie sich, darüber nachzudenken, wie ihr Leben hätte aussehen können, wenn ihr eine Liebesheirat vergönnt gewesen wäre – sehr selten, denn sie musste schließlich an Luc denken, und solange es ihn gab, konnte sie nie behaupten, es mangele ihrer Ehe an Liebe. Von beiden Eltern geliebt, von Robert förmlich angebetet, aber weder verwöhnt noch verzogen, brachte Luc mit seiner angeborenen Begeisterungsfähigkeit, seinem Lebenshunger, seinem ausdrucksvollen Gesicht und seiner Bereitschaft, denen Liebe zu schenken, die ihn liebten, Sonne in ihr Leben.
Anfangs hatte sie ihn voller Furcht beobachtet, hatte bei jedem Entwicklungsschritt besorgt darauf gewartet, er könnte sich als das Kind seines leiblichen Vaters erweisen, doch bis zu seinem zweiten Geburtstag hatte Amber allmählich gelernt, sich nicht weiter zu quälen. Luc hatte sein eigenes, wunderbar individuelles Wesen, egal wer an seiner Zeugung beteiligt gewesen war. Er war liebenswert, steckte voller Schalk und guter Laune, und er war, wie Robert nie müde wurde zu betonen, sehr gescheit und schnell von Begriff.
Robert war Luc ein wunderbarer Vater, und das Band zwischen ihnen schloss sie in vielerlei Hinsicht aus. Luc hatte viele kleinen Eigenarten von Robert übernommen. Er stand wie er, und er ging wie er, er sah zu Robert auf und ahmte ihn in allem nach.
Robert seinerseits gab Luc nicht nur die feste väterliche Führung, die ein Junge brauchte, sondern zeigte ihm seine Liebe auch, mit dem Ergebnis, dass Luc seinem Vater weder mit steifer Unbeholfenheit in Gefühlsdingen noch mit ängstlichem Respekt begegnete, wie es bei so vielen Knaben in ihrem Bekanntenkreis der Fall war.
Als Eltern waren sie in ihrer Liebe zu ihrem Sohn so vereint, wie nichts anderes sie vereinen konnte.
Wenn Amber je an Jean-Phi lippe dachte, dann voller Furcht, dass Luc später einmal wie er aussehen und Robert sich von ihm abwenden könnte.
Tief im Innern mochte sie vielleicht Einsamkeit und tiefe Sehnsucht nach einer Liebe empfinden, wie ihre Eltern sie geteilt hatten, doch das war eben der Preis, den sie für Lucs Sicherheit und Glück zahlen musste, und sie zahlte ihn bereitwillig.
Als sie und Robert sich an diesem Abend mit Freunden in der Bar des Savoy auf einen Cocktail trafen, ehe sie weiter zum Embassy Club gingen, und Amber dort an einem Tisch Louise mit ihrem Ehemann sitzen sah, musste sie wieder daran denken, wie viel Glück sie doch gehabt hatte. Louise war fast zu dünn und musterte die anderen Tische mit rastloser, nervöser Miene, die deutlich ihre Langeweile verriet.
Nie würde Amber vergessen, wie leicht das Schicksal, das Louise fast ereilt hätte, auch sie hätte treffen können. Louise hatte jetzt kein Kind, und ihr Ehemann war zwanzig Jahre älter als sie und ein Rüpel und machte keinen Hehl aus seiner Überzeugung, er habe ihr mit dieser Heirat einen Gefallen erwiesen. Sie bewegten sich am Rand der Gesellschaft, hielten sich nur dort wegen Louises Verbindungen und der grimmigen Entschlossenheit ihres Gatten, diese zu nutzen. Es wurde viel darüber geklatscht, dass Louise ihrem Mann nicht treu war und dass ihre Liebhaber meist reiche ältere Männer waren, die gern damit prahlten, dass sie mit einer Adeligen ins Bett gingen. Robert hatte Amber deutlich zu verstehen gegeben, er wünsche nicht, dass sie weiterhin Kontakt zu Louise halte.
»Sie hat Schande über sich und ihre Familie gebracht«, hatte er zu Amber gesagt, nachdem Louise in einem Zeitungsartikel offen als »enge Freundin« eines gewissen »allseits bekannten Ladenbesitzers« bezeichnet worden war. Bei dem allseits bekannten Ladenbesitzer hatte es sich um Harry Selfridge gehandelt, der berüchtigt war für seine Spielleidenschaft und seine andauernde Affäre mit den Dolly-Schwestern, schauspielernden Zwillingen. Beth
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