Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
Dieser schreckliche Faschismus ist so schockierend«, fuhr Beth fort.
»Ja«, stimmte Amber ihr zu.
Anfang der Woche hatten sie und Robert über die politische Lage diskutiert, und Robert hatte gesagt, wenn Hitler seinen Kurs fortsetze, fürchte er um die Zukunft Europas.
»Meiner Meinung nach«, hatte er gesagt, »ist es ganz gut, dass wir unsere Luftstreitkräfte aufstocken. Die Arbeiterschaft in Deutschland mag Hitler ja dafür bejubeln, dass er die Wirtschaft ankurbelt, aber ein paar Freunde von mir, die jüdische Bekannte haben, sind zunehmend besorgt über seine antisemitische Haltung.«
»Ach, beinahe hätte ich es zu erwähnen vergessen«, fuhr Beth fort. »Pamela ist wieder schwanger. Mummy hat angerufen, um es mir zu erzählen. Daddy und Henry hoffen verzweifelt, dass es diesmal ein Junge wird, wegen des Titels, weißt du.«
Ein Jahr nach Ambers Hochzeit hatte Henry Lady Pamela Mountjoy geheiratet, die Tochter von Lord Noakes, dessen Land an das von Beths Vater grenzte. Ihr erstes Kind war eine Tochter gewesen, das zweite ebenso, und Amber konnte sich gut vorstellen, mit welcher Anspannung die Familie die neuerliche Geburt erwartete.
Bei dem Gedanken an Henry war ihr jedoch immer noch unbehaglich, sodass sie es vorzog, nicht über ihn zu reden.
»Fahrt ihr dieses Jahr auf den Kontinent, Amber?«, fragte Beth.
Amber sah zu Robert hinüber, der schwärmerisch zu seinem jungen Beau aufsah.
»Wir haben uns noch nicht entschieden. Robert hat davon gesprochen, eine Jacht zu kaufen. Er war letztes Jahr ganz begeistert von Daisy Fellowes’ Jacht.«
»Alistair findet Jachten unglaublich vulgär«, erklärte Beth.
Amber verbarg ein kleines trauriges Lächeln. Vier Jahre Ehe hatten aus dem früher so sanften Mädchen eine weitaus weniger mitfühlende Frau gemacht. Eine Frau, die mit jener Amber, die Jean-Philippes Geliebte gewesen war und sich ihm hemmungslos hingegeben hatte, gewiss keinen Umgang hätte pflegen wollen. Amber war dankbar, dass Beth nichts von dieser unbesonnenen, leidenschaftlichen Zeit in ihrem Leben und den daraus resultierenden Konsequenzen wusste.
Jetzt bedauerte sie es fast, sich zu dem Besuch im Embassy Club bereit erklärt zu haben, doch Robert war so erpicht darauf gewesen, und Emerald Cunard, die davor auf der gleichen Dinnerparty gewesen war wie sie, hatte darauf bestanden, dass sie kamen. Inzwischen war der Prince of Wales mit Wallis Simpson eingetroffen, und es lag eine gewisse Spannung in der Luft. Diejenigen, die Mrs Simpson guthießen, scharten sich um den Prinzen, während diejenigen Freunde, die sie missbilligten, sich von dem Paar abwandten.
»Er ist hoffnungslos in sie vernarrt, der arme kleine Mann.« Amber schüttelte warnend den Kopf, als sich der attraktive Bonvivant Max Leighton zu ihnen setzte. »Lass dich nur nicht dabei erwischen, wie du so etwas sagst, Max«, warnte sie ihn.
Er zuckte geringschätzig die Schultern und meinte lässig: »Warum nicht, wenn es doch stimmt?« Er wechselte das Thema. »Das also ist Roberts neuester Schwarm? Sehr arisch, Amber. Dem Führer würde er gefallen.«
»Das ist nicht lustig, Max. Die antisemitische Propaganda des Führers ist einfach abstoßend«, erklärte Amber heftig.
In Max’ Lächeln lag ein Anflug von Zynismus. »Ich bin überzeugt davon, dass alles noch viel schlimmer wird, und da bin ich nicht der Einzige. Liebe Güte, wer um alles in der Welt ist das herrliche Geschöpf da drüben neben Syrie Maugham?«, fragte er, indem er schon wieder das Thema wechselte. »Entschuldige, meine Liebe, ich muss rübergehen und zusehen, dass Syrie mich vorstellt.«
Er war gerade gegangen, als nahe an Ambers Ohr eine scharfe Stimme mit amerikanischem Akzent ertönte. »Was für überaus ungewöhnliche Armreifen!«
Amber wandte sich um und fand sich Wallis Simpson gegenüber. Die geschiedene Amerikanerin trug ein perlmuttfarbenes Satinkleid mit smaragdgrüner Stickerei von Schiaparelli, das ihre extrem schlanke, fast hagere Gestalt betonte. Ihr dunkles Haar war kurz geschnitten und in elegante Wellen gelegt. An ihren Ohren blitzten riesige, zur Halskette passende Ohrclips aus Diamanten und Smaragden.
Amber sah die Gier in Mrs Simpsons Blick, der auf Ambers schwarz-weiße Schlangenarmreife mit den gelben Diamantaugen gerichtet war. Amber trug sie nur selten; während der Wirtschaftsdepression war sie der Meinung gewesen, sie kämen einer Ohrfeige für die vielen armen Arbeitslosen gleich, doch nachdem sich die Lage allmählich
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