Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
hatte Amber erschüttert berichtet, sie hätte Louise tatsächlich bei Selfridges gesehen, wo sie vom Besitzer höchstpersönlich durch das Kaufhaus geleitet wurde.
»Ich musste so tun, als hätte ich sie nicht gesehen. Sie hat furchtbar vulgären Schmuck getragen, den er ihr anscheinend gerade geschenkt hatte, und war viel zu stark geschminkt.«
Doch Amber konnte nicht an Louise denken, ohne sich schrecklich schuldig zu fühlen. Beide hatten sie sich in den falschen Mann verliebt, beide hatten sich aufgrund ihrer Verliebtheit äußerst unbesonnen verhalten, und beide waren sie in dieselbe Lage geraten. Sie jedoch war durch Robert davor bewahrt worden, die Konsequenzen tragen zu müssen, während die arme Louise niemanden gehabt hatte, der sie rettete.
Als Amber Robert gegenüber einmal etwas Derartiges geäußert hatte, war er sehr zornig geworden und hatte ihr gesagt, sie solle sich niemals wieder mit Louise vergleichen.
»Du bist meine Frau. Zwischen euch besteht ein Riesenunterschied. Louise ist die geborene Hure«, hatte er knapp gesagt. »Man hatte sie vor Ponsonby gewarnt, aber sie hat diese Warnung ganz bewusst ignoriert. Was passiert ist, hat sie sich ganz allein selbst zuzuschreiben. Sie macht ja auch kein Geheimnis daraus, dass sie jeden Mann in ihr Bett lässt, der sich dieses Vergnügen leisten kann.«
»Das ist nicht fair«, hatte Amber protestiert, aber Robert hatte beharrt: »Es ist die Wahrheit, jeder weiß das.«
Robert war vom Tisch aufgestanden und sprach mit einem jungen Mann, der eben gekommen war. Er war groß und blond, keinen Tag älter als neunzehn und hätte ein wunderschönes Gesicht gehabt, hätte in den eng stehenden Augen nicht eine gewisse Berechnung gelegen.
Amber fürchtete, er werde dem armen Robert das Herz brechen. Trotz seiner Intelligenz und seines Esprits sorgte irgendein Zug in Roberts Wesen dafür, dass am Ende immer er derjenige war, der bei seinen Affären am meisten litt. Seine besten Freunde – von denen viele, wie Amber im Lauf der Jahre entdeckt hatte, selbst homo- oder bisexuell waren und durchaus vertraut mit heftiger Leidenschaft und unerwiderter Liebe – bemühten sich nach Kräften, Robert vor seiner Verletzlichkeit zu schützen, aber ohne Erfolg.
»Das Problem mit Robert«, hatte Cecil Beaton einmal zu Amber gesagt, »ist, dass er sich immer in hübsche junge heterosexuelle Männer verliebt, die sich einen Spaß daraus machen, ihm vorzugaukeln, sie könnten vielleicht doch homosexuell werden, wenn nur der richtige Mann käme, es sich aber im letzten Moment anders überlegen, wenn der arme Robert ihnen sein Herz bereits zu Füßen gelegt hat.«
In ihren fünf Ehejahren hatte Amber eine Welt kennengelernt, von deren Existenz sie zuvor nichts geahnt hatte. Inzwischen überraschte oder schockierte es sie nicht mehr, wenn sie erfuhr, dass ein nach außen hin treu sorgender Ehemann oder ein routinierter Salonlöwe, der die Frauen anzubeten schien, sich privat an sein eigenes Geschlecht hielt.
Nach allem, was Amber gesehen und erlebt hatte, verursachten Liebe und Leidenschaft weitaus mehr Schmerz und Verzweiflung als Glück. Sie war fest entschlossen, beides nie wieder in ihr Leben zu lassen. Ihre unglückliche Liebe zu Jean-Phi lippe hatte sie versengt, hatte ihr Herz gegen die Liebe verhärtet.
Amber nippte an ihrem White Lady und lächelte warm, als Beth und ihr Ehemann hereingehetzt kamen.
»Wir kommen zu spät, tut mir leid, aber das Baby zahnt, das arme kleine Ding, und das Kindermädchen wird so ungehalten mit ihm«, entschuldigte sich Beth, während Alistair sich zu den anderen Männern an der Bar gesellte.
Letzten Herbst hatte Beth ihr drittes Kind zur Welt gebracht, nach zwei Söhnen ein Mädchen.
»Ach, Wallis Simpson ist auch da«, meinte Beth und verzog das Gesicht, während sie sich neben Amber setzte. Beth missbilligte die geschiedene Amerikanerin, die sich so eng an den Prince of Wales angeschlossen hatte. »Hast du schon das Neueste von Diana Guinness gehört?«
Im Lauf der Zeit war Beth zu einer kleinen Klatschbase herangereift, und sosehr Amber die Freundin auch mochte, schätzte sie es nicht sonderlich, die Privatangelegenheiten anderer durchzuhecheln, vielleicht, räumte sie ein, weil sie den Gedanken nicht ertrug, die Leute könnten auch über sie tratschen.
Beth redete weiter über Dianas Affäre mit Oswald Mosley, der mit seiner faschistischen Bewegung Aufsehen erregte. »Ich weiß nicht, wie Diana sich mit ihm einlassen konnte.
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