Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
für Syrie Maughams Innenausstattungen produziert, und sie hatten immer noch die Verträge mit der Kirche, die Ambers Vater vor vielen Jahren abgeschlossen hatte. Hauptsächlich aber war es Robert zu verdanken, dass Denby Mill einen dringend benötigten neuen Auftrag über große Mengen Fallschirmseide bekommen hatte. Als die Regierung im Frühling 1935 verkündet hatte, wegen der wachsenden Stärke Deutschlands wolle sie die Größe der Royal Air Force über einen Zeitraum von zwei Jahren verdreifachen, hatte Robert sofort erkannt, dass dies die Nachfrage nach Fallschirmseide steigern würde. Über seine Kontakte hatte er vorgeschlagen, dass Denby Mill aufgefordert werden sollte, ein Angebot für die neuen Aufträge vorzulegen.
Die Sicherung des Regierungsauftrags zur Produktion von Fallschirmseide hatte die Geschäftslage enorm verbessert.
»Ich kann es kaum abwarten, die Seide zu sehen«, sagte Amber zu Jay. »Ich habe ausgemacht, dass ich morgen Vormittag in die Fabrik gehe. Wenn du Zeit hast, würde ich mich über deine Begleitung freuen.«
»Ich nehme mir die Zeit.«
Jay gehört zu den Männern, die ihr gutes Aussehen auf dieselbe Art tragen wie eine bequeme Tweedjacke, dachte Amber, als er sie anlächelte. Vielleicht war es ein Fehler, aber irgendwie war sie der allzu witzigen, allzu geistreichen Männer und Frauen überdrüssig, die nur von schneidenden Bonmots lebten und deren Leben ohne Bedeutung war, wenn sie nicht am schicksten Gesellschaftsball teilgenommen hatten oder au fait mit dem neuesten Klatsch waren.
»Wie geht es Lydia?«, fragte sie Jay.
»Ein bisschen besser. Dr. Brookes sagt, sie dürfe keine Kinder mehr bekommen. Er hält es für möglich, dass Schwangerschaft und Geburt für ihren Zustand verantwortlich sind.«
Lydia hatte nach der Geburt ihrer beiden Töchter sehr gelitten, und obwohl Jay ihr gegenüber äußerst loyal war und Amber gegenüber kein Wort über die Sache verloren hatte, hatte sie von ihrer Großmutter gehört, dass Lydias Zustand nach der Geburt des zweiten Kindes kurz vor Weihnachten so bedenklich gewesen war, dass man sich Sorgen um ihre geistige Gesundheit und um die Sicherheit des Babys gemacht hatte. Amber hatte großes Mitleid mit Jay und auch mit Lydia, doch sie sah, dass es seinen Stolz verletzten würde, wenn sie es ihm zeigte.
Einem Mann wie Jay, der seine Frau liebte, fiel es sicher schwer, sich damit abzufinden, dass es in seiner Ehe keine sexuellen Intimitäten mehr geben durfte, weil keine Form der Empfängnisverhütung wirklich verlässlich war. Er konnte sich natürlich eine Geliebte suchen, doch Macclesfield war keine kosmopolitische Gesellschaft, in der eine solche Liaison als Selbstverständlichkeit akzeptiert würde.
»Wie geht es deinem Großvater?«, fragte Amber Jay, als sie an dessen Haus vorbeifuhren. Nach der Hochzeit hatte ihre Großmutter Jay nach einigen diskreten Hinweisen von Amber erlaubt, in den leer stehenden Witwensitz von Denham Place einzuziehen und ihn zu seinem Zuhause zu machen, denn er war groß genug für eine Familie und besaß einen eigenen Garten.
»Wie immer eigentlich«, antwortete Jay. »Deine Großmutter ist weiterhin wild entschlossen, dass er ihr einen Teil seines Landes verkauft, denn er braucht Geld, damit ihm das Haus nicht über dem Kopf zusammenbricht, und mein Großvater ist genauso wild entschlossen, sich von keinem einzigen Morgen zu trennen, obwohl er keinen direkten Erben hat und das Gut nach seinem Tod sowieso verkauft werden muss, um die Erbschaftssteuern zu bezahlen.«
»Das ist sicher schwer für ihn«, sagte Amber mitfühlend. Sturer alter Bock, dachte sie innerlich.
Sie waren am Haupthaus angelangt, und Jay hielt vor der Haustür und stieg aus dem Wagen, um Amber zu helfen.
»Hast du in letzter Zeit etwas von Greg gehört?«, fragte er Amber, als er mit ihr ins Haus ging.
»Letzte Woche.« Amber machte sich große Sorgen um ihren Cousin. Sie hatte ihn inzwischen einige Jahre nicht mehr gesehen, und er schrieb immer seltener. »Er klingt so unglücklich, Jay, und, nun, er hat mich gefragt, ob ich ihm Geld borgen kann. Natürlich kann und werde ich das tun, doch die Summe, um die er bittet, bereitet mir Sorgen.«
»Das hatte ich befürchtet«, sagte Jay. »Schau, ich rede nicht gerne hinter seinem Rücken über Greg, aber es scheint, als hätte er sich in Schwierigkeiten gebracht.«
»Was für Schwierigkeiten?«
»Spielschulden, die deine Großmutter begleichen musste, und anscheinend hat er
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