Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
der mit winzigen entrindeten Sandwiches und einer reichen Auswahl von Teebrötchen und Kuchen beladen war. So nervös und eingeschüchtert, wie Amber sich fühlte, hatte sie nicht das Gefühl, überhaupt einen Bissen hinunterzubringen.
Während Lady Fitton Legh Greg mehrere Botschaften für seine Großmutter auftrug, bemühte Amber sich höflich, Cassandra ins Gespräch zu ziehen, was kein leichtes Unterfangen war, da Cassandra auf alles entweder mit einem hölzernen Ja oder mit einem Nein antwortete. Als Lady Fitton Legh schließlich klingelte und das Teegeschirr abtragen ließ, war Amber äußerst erleichtert.
Doch ihre Hoffnung auf einen baldigen Aufbruch wurde zunichtegemacht, als Lady Fitton Legh meinte: »Greg, Lord Fitton Legh wird sehr böse auf mich sein, wenn er erfährt, dass Sie hier waren und ich ihm nicht genau von Ihrem Treffen mit dem Parteiausschuss berichten kann. Cassandra, nimm Amber doch mit ins Musikzimmer, da kannst du ihr das Stück vortragen, das du gerade einstudierst. Cassandra spielt hervorragend Klavier, Amber.«
Einen Augenblick dachte Amber, Cassandra würde sich tatsächlich weigern, denn sie sah aus, als kochte sie vor Zorn, doch dann stand sie abrupt auf und rannte mit hochrotem Kopf zur Tür, ohne auf Amber zu achten, die Mühe hatte, Schritt mit ihr zu halten.
Auch im Musikzimmer würdigte Cassandra Amber keines Blickes, was diese mit tiefem Unbehagen erfüllte. Sie setzte sich ans Klavier, hob den Deckel und ließ die Hände mit einem lauten, dissonanten Lärmen auf die Tasten fallen, dass die Glastropfen am Kronleuchter wackelten.
Während Amber sich immer noch von ihrem Schrecken erholte, begann Cassandra, ohne irgendeine Erklärung für ihr merkwürdiges Verhalten abzugeben, sehr laut zu spielen. Eine Unterhaltung war dadurch unmöglich. Amber wünschte sich, dass Greg sich beeilte und sie rettete.
Während sie spielte, blieb Cassandras Gesicht feuerrot, und in ihren Augen zeigte sich ein merkwürdiges Glitzern. Amber hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Ein derartiges Benehmen war ihr einfach noch nicht untergekommen. In der Schule waren sie alle einem sehr strengen Regiment unterworfen gewesen, das ihnen eine öffentliche Zurschaustellung ihrer Gefühle streng untersagt hatte. Für eine Dame, so hatte man ihnen eingetrichtert, schickte es sich einfach nicht, ihre Gefühle zu zeigen.
So abrupt, wie sie zu spielen angefangen hatte, hörte Cassandra auch wieder auf.
»Sie wissen, dass Ihr Cousin in Caroline verliebt ist, nicht wahr? Nicht dass sie ihn je anschauen würde. Sie macht sich über ihn lustig. Wir beide machen uns über ihn lustig.«
Amber wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie fühlte sich äußerst unbehaglich, und wenn sie ehrlich war, musste sie einräumen, dass Cassandra ihr ein wenig Angst machte.
»Sie müssen ihm sagen, dass er aufhören soll, hier vorbeizukommen und sie zu belästigen. Wenn nicht, wird er große Schwierigkeiten kriegen.«
»Bestimmt irren Sie sich. Greg ist nur höflich«, entgegnete Amber tapfer.
»Nein, ich irre mich nicht. Ich habe doch gesehen, wie er sie anschaut. Ich habe gehört, was für Lügen er erzählt, was für Ausreden er vorbringt, nur um sie sehen zu können, wenn er hier doch gar nichts verloren hat.«
Sie knallte den Klavierdeckel zu und rauschte ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer.Verwirrt blickte Amber ihr nach.
»Na, fühlst du dich jetzt ein bisschen besser?«, fragte Greg, als er mit Amber nach Hause fuhr.
Amber warf ihrem Cousin einen Blick zu. Er sah auf die Straße, schließlich steuerte er den Wagen.
»Greg, Cassandra hat etwas höchst Seltsames zu mir gesagt.«
»Was denn?«
»Sie hat gesagt, du wärst in Lady Fitton Legh verliebt.« Ein kurzes Schweigen trat ein, und dann lachte Greg ein wenig zu laut.
»Himmel, was für einen Unsinn ihr Mädchen zusammenschwafelt. Natürlich bin ich nicht in sie verliebt. Lady Fitton Legh ist verheiratet. Ich könnte mir vorstellen, dass Cassandra selbst für Lady Fitton Legh schwärmt, wie ein verdrehtes Schulmädchen. Du weißt doch selbst, wie das bei euch so ist«, neckte er sie. »Dauernd himmelt ihr irgendwen an.«
Das klang recht vernünftig, und Amber atmete erleichtert auf. Doch irgendetwas an den Ereignissen des Nachmittags hatte sie beunruhigt.
Lady Fitton Legh war so schön, dass es nicht weiter verwunderlich wäre, wenn Greg sich tatsächlich in sie verliebt hätte, aber Amber war froh, dass dem nicht so war.
Wie er selbst
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