Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
öffnete eine und kündigte die Besucher an.
Das Strohgelb der Wände wiederholte sich auf den Satinpolstern der Regency-Möbel, sodass der ganze Raum von einem weichen, warmen Licht erfüllt schien.
Lady Fitton Legh saß auf einem kleinen Sofa, neben ihr Cassandra, die, wie Amber wusste, bei den Fitton Leghs wohnte. Die beiden Familien waren durch Barrant de Vries’ verstorbene Frau verwandtschaftlich verbunden. Als Kind hatte Cassandra nicht so viel Zeit in Cheshire verbracht wie Jay, daher kannte Amber sie nicht besonders gut.
Cassandra war zwei Jahre älter als Amber. Ihre Eltern wohnten in der Nähe von Brighton; Jay hatte erzählt, Cassandra habe die Fitton Leghs voriges Weihnachten besucht und sei von Lord Fitton Legh eingeladen worden, als Gesellschafterin seiner Frau bei ihnen zu bleiben.
Sobald sie ihre Besucher sah, sprang Lady Fitton Legh vom Sofa auf, eilte auf sie zu und rief in offenkundigem Entzücken: »Greg, was für eine reizende Überraschung!«
Greg reagierte merkwürdig gestelzt; er wich hastig zurück und klang längst nicht so entspannt, wie es seinem Wesen entsprach, als er erwiderte: »Meine Großmutter hat mir aufgetragen, Ihnen ein paar Bücher zurückzugeben, und ich habe meine Cousine Amber mitgebracht.«
Jedes Mal, wenn sie Caroline Fitton Legh zu Gesicht bekam, staunte Amber von Neuem über deren Schönheit. Ihre Augen, groß und veilchenblau, betonten die Zartheit ihres Gesichts; ihre Lippen waren weich und voll und schienen ein wenig zu zittern, was ihr einen traurigen und verletzlichen Ausdruck zugleich verlieh. Ihr Teint war zart gebräunt, genau wie bei den Mannequins in der Vogue ; Amber hätte ihre eigene, typisch englische Pfirsichhaut auf der Stelle dagegen eingetauscht. Ihr Haar war dunkel und nach der neuesten Mode knabenhaft kurz geschnitten und perfekt onduliert. Sie trug ein Kleid aus Seide, vom selben Veilchenblau wie ihre Augen. Nie hatte Amber jemand so Schlanken oder Zarten gesehen. Ihre Eheringe wirkten an der schmalen Hand riesig und schwer.
Cassandra, die Platz behalten hatte, stand nun auf und machte Anstalten, sich zwischen die Neuankömmlinge und Caroline zu schieben. Die arme Cassandra, dachte Amber mitleidig. Lady Fitton Leghs Schönheit unterstrich Cassandras Reizlosigkeit. Cassandra war groß und dünn, hatte strohiges, rotblondes Haar und galt allgemein als abweisend und linkisch, sowohl in ihrer Art als auch in ihren Bewegungen. Selbst Jay hatte Amber gestanden, dass er Schwierigkeiten habe, mit ihr auszukommen, und dass sie sich nicht besonders nahe standen.
Es war offensichtlich, dass Cassandra von ihrer Ankunft nicht begeistert war; das verrieten ihre Blicke.
»Sie müssen beide zum Tee bleiben«, beharrte Lady Fitton Legh. »Cassandra und ich haben uns eben schrecklich gelangweilt. Sie müssen uns einen Ihrer köstlichen Witze erzählen, Greg, und uns zum Lachen bringen.« Während sie noch sprach, klingelte sie nach dem Tee.
Amber war nicht klar gewesen, dass ihr Cousin Caroline so gut kannte, dass er ihr Witze erzählte.
»Ich liebe die englische Teezeremonie«, erklärte Lady Fitton Legh und lachte. »Greg, setzen Sie sich zu mir und achten Sie darauf, dass ich die vielen kleinen Regeln einhalte.«
Doch statt ihrer Einladung Folge zu leisten, schob Greg Amber nach vorn und sagte munter: »Ich halte es für das Beste, wenn Amber sich zu Ihnen setzt. Ich bin viel zu ungeschickt, ich würde nur irgendetwas umwerfen, stimmt’s, Amber?«
»Ist das wahr, Miss Vrontsky? Ist Ihr Cousin wirklich so ungeschickt, wie er behauptet, oder zieht er uns nur auf?«
Zu Ambers Erleichterung kamen in diesem Augenblick der Butler, zwei Hausdiener und ein Dienstmädchen herein und enthoben sie einer Antwort. Mit geübter Leichtigkeit deckten sie den Tisch: Zuerst wandte sich der Butler an den Hausdiener, um die Spirituslampe für den Wasserkocher von dem großen Silbertablett zu nehmen, das der Hausdiener trug. Sobald er sie angezündet und den Wasserkocher daraufgestellt hatte, griff er nach der Teekanne. Alles musste akkurat in der richtigen Reihenfolge an den richtigen Platz auf der frisch gestärkten Tischdecke gelegt werden, welche auf dem Tisch am Sofa lag. Das Dienstmädchen breitete derweil eine weitere Tischdecke über einen anderen Tisch und machte sich daran, mit dem Porzellan einzudecken, das der zweite Hausdiener auf einem Tablett bereithielt.
Die Hausdiener gingen noch einmal auf den Flur hinaus und kehrten dann mit dem Teewagen zurück,
Weitere Kostenlose Bücher