Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
beiseite.
»Ich weiß, wie sehr du Ottos Gegenwart genießt, aber hältst du es wirklich für klug, so viel Zeit mit ihm zu verbringen?«
»Klug? Es ist nicht das Verlangen nach Klugheit, das mich treibt, Amber, sondern das Verlangen nach Liebe. Nach Ottos Liebe. Oh, ich weiß, was du denkst, aber du irrst dich. Du hast ihn doch gesehen. Du kannst sehen, wie er sich verändert hat und wie die Dinge mittlerweile zwischen uns stehen.«
Amber hörte den Trotz in Roberts Stimme. Konnte ein Mensch wirklich aus seiner Haut heraus? Vielleicht nicht, doch konnte die Liebe bekanntlich Wunder wirken, und wenn Otto Robert liebte, war es wohl möglich, dass seine Liebe ihn verändert hatte.
»Bitte, sei vorsichtig«, flehte sie ihn an.
»Ich bin nicht Luc, Amber. Ich bin ein Mann.« Er wurde wütend. Weil er das Gefühl hatte, sie habe sein Urteilsvermögen in Frage gestellt, oder weil er sich Ottos doch nicht so sicher war, wie er sich einredete? »Ich will die Sache nicht weiter diskutieren. Und ich habe gewiss nicht die Absicht, dir zu erlauben, Ottos Gefühle für mich in Frage zu stellen, Amber, oder meine für ihn.«
Er war wütend auf sie, was vermutlich bedeutete, dass er den ganzen Abend wütend auf sie sein würde.
Sie freute sich nicht auf den Abend. Die Atmosphäre in den Kasinos veränderte die Menschen, brachte ihre Gier zum Vorschein.
Amber spielte selten. Sie machte sich schlicht nichts daraus. In gewisser Weise ängstigte es sie und widerte sie an. Es war noch so eine gefährliche Sucht, die jene zerstörte, die davon besessen waren, wie Alkohol und Drogen. Und die Liebe zu dem falschen Menschen?
Wie verletzlich und schwach der Mensch doch ist, dachte Amber traurig.
Sie brachen ein wenig später auf als geplant, und im Kasino herrschte schon reges Treiben, als sie sich Otto am Spieltisch zugesellten.
Emerald Cunard saß dicht neben ihm, die Arme mit Diamantarmbändern geschmückt. Der Aga Khan war da und mehrere Frauen, die gewohnheitsmäßig spielten, ihre Mienen angespannt vor Aufregung und Angst.
Robert setzte sich neben Otto. Als Amber das komplizenhafte Lächeln sah, das die beiden tauschten, seufzte sie innerlich. Heute Abend trug sie ein neues bernsteinfarbenes Kleid. Ihre leichte Sonnenbräune betonte die Schönheit des Stoffes noch, und sie hatte im Schlafzimmerspiegel gesehen, dass er auch ihre Augen verblüffend strahlen ließ.
»Wunderschön.« Sie spürte, wie Jean-Philippes Atem warm über ihre nackte Schulter strich. Er stand hinter ihr, und ihre Bilder verschmolzen in den Spiegeln an der gegenüberliegenden Wand.
»Du siehst aus wie eine Statue, die zum Leben erweckt wurde, viel zu sinnlich, als dass ein Mann dir widerstehen könnte. Ich möchte dich auspacken wie ein besonderes Geschenk und dabei mit allen Sinnen genießen.«
Der Croupier bat die Spieler um ihre Einsätze. Amber sah, dass Robert Otto diskret einige Chips zuschob. Es ging sie nichts an, wenn ihr Mann seinen Liebhaber verwöhnte. Robert konnte es sich schließlich leisten.
»Ich glaube, Gräfin Irene verlangt nach dir«, sagte Amber entschlossen zu Jean-Philippe und wandte sich von ihm ab, um Interesse an Roberts Spiel vorzugeben.
Beth kam mit Alistair – und Henry – herüber.
»Amber, erinnert dich das nicht an damals? Weißt du noch, wie du gewonnen hast, als Mummy und Daddy uns mit hergenommen haben? Nein, geh nicht«, widersprach sie. »Setz dich zu Henry und bring ihm Glück.« Beth wandte sich an ihren Bruder. »Siehst du, Henry. Ich bin überzeugt, Amber ist entzückt, bei dir zu bleiben, während wir zum Abendessen gehen.«
Amber saß in der Falle, und Henrys triumphierender Blick verriet ihr, dass er es wusste. Wie auch immer, als er sich neben sie setzte, gelang es ihm irgendwie, ihren Oberschenkel zu streifen, wofür er sich halbherzig entschuldigte.
Amber roch seinen Schweiß, leicht säuerlich und unerfreulich aufdringlich.
Eine Stunde später sehnte Amber sich danach, zu entfliehen, obwohl Henry sie glücklicherweise verlassen hatte oder, genauer gesagt, von Beth weggezerrt worden war. Mehrere Menschen hatten sich an den Tisch gesetzt und ihn wieder verlassen, doch die eingefleischten Spieler waren noch da.
Der Croupier bat erneut um die Einsätze. Eine kleine Schar von Zuschauern hatte sich um den Tisch versammelt. Emerald Cunard lachte, als sie einen Armreif abstreifte und auf den Tisch legte. Roberts Chips-Stapel wuchs. Der Aga Khan musterte den Tisch konzentriert mit
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