Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
Arm zu fassen, doch irgendwie fehlte seiner Geste Roberts Innigkeit. Niemand konnte verkennen, wer hier liebte und wer geliebt wurde.
War sie ungerecht? Robert war wahnsinnig glücklich, und Otto war freundlich zu ihm. Ihr Lachen, das sie beim Hereinkommen gehört hatte, bewies das.
»Heute Abend gehe ich mit dir ins Kasino, aber ich bestehe darauf, dass du verlierst«, sagte Robert leise.
»Nur um zu beweisen, dass an dem Sprichwort mit dem Glück und dem Spiel und der Liebe etwas dran ist?«, neckte Otto ihn. »Ich muss nicht am Spieltisch verlieren, um das zu wissen. Ich habe immer Glück in der Liebe, Robert. Ich bin gesegnet, überreich gesegnet. Bis heute Abend.«
Otto war gegangen, und Robert spazierte mit einem liebestrunkenen Lächeln im Salon herum, ohne ein Wort von dem zu hören, was Amber sagte.
Sie waren inzwischen fast einen Monat in Südfrankreich. Beth zeigte sich ihr gegenüber inzwischen recht verhalten, weil Amber sich weigerte, etwas mit ihr zu unternehmen, wenn sie glaubte, Henry könnte mit von der Partie sein, auch wenn Beth die Sache nicht angesprochen hatte.
Es war zu keinen weiteren zufälligen Begegnungen mit Jean-Philippe gekommen, obwohl Amber und Luc seit ihrem ersten Zusammentreffen viele glückliche Nachmittage am Strand verbracht hatten. Aber auch wenn es keine zufälligen Begegnungen mehr gab, hieß das nicht, dass sie ihn nicht gesehen hätte oder nicht in seiner Gesellschaft gewesen wäre – im Gegenteil.
Robert war offen und glücklich in Otto vernarrt, und an den meisten Abenden gingen er und Amber zu Partys, wo Robert sich Otto und den anderen Deutschen sowie deren Anhängern anschloss, darunter Gräfin Irene, deren hochrangiger deutscher SS-Schwager und natürlich Jean-Phi lippe. Amber blieb sich selbst überlassen.
Jean-Philippe zeigte sich ihr gegenüber sehr aufmerksam, wie Amber zugeben musste.Weil er Spaß daran hatte, sie zu necken, oder weil er sie wirklich begehrte? Es war sicher klüger, von Ersterem auszugehen.
Erst am vergangenen Abend nach dem Abendessen in der von seiner Geliebten gemieteten Villa hatte er Amber zugeflüstert: »Warum hast du solche Angst, mich in deine Nähe zu lassen?«
»Ich habe keine Angst.«
»Dann geh jetzt mit mir in den Garten.«
»Ich habe keine Angst«, hatte sie wiederholt. »Ich habe bloß nicht den Wunsch, dich in meiner Nähe zu haben.«
»Nicht den Wunsch, aber ein mächtiges Verlangen, oui ?«, hatte er geflüstert. »So groß wie mein Verlangen nach dir.«
Amber musste an diese Worte denken, als sie jetzt im Salon ihrer Villa am Fenster stand und über den Hafen schaute, und sie erfüllten sie mit Scham und Schuldgefühlen. Denn Jean-Philippe hatte recht, sie begehrte ihn, gegen jede Vernunft. Sie begehrte ihn so sehr.
Vielleicht war es die träge, sinnliche Hitze des Südens, vielleicht war es die Tatsache, dass ihr Wiedersehen Erinnerungen daran geweckt hatte, wie es war, jung und lebendig zu sein und voller Leidenschaft. Vielleicht lag es auch daran, dass Jay, den sie wirklich und von Herzen liebte, ihr nie gehören würde, nie gehören konnte, zumindest nicht als Geliebter.Vielleicht lag es auch schlicht daran, dass sie zu lange zölibatär gelebt hatte. Was auch immer der Grund war, nachts quälte sie ihr Verlangen, und tagsüber war es kaum besser.
In der Nacht zuvor hatte sie verzweifelt versucht, nicht an Jay zu denken und sich nicht nach ihm zu sehnen, wie sie es schon so viele Nächte vergeblich versucht hatte, und als Jean-Philippe so nah bei ihr gestanden und sie in seinen Duft eingehüllt hatte, hatte sie gespürt, wie ihr Körper kapitulierte. Er erinnerte sich an seine Jugend und an Jean-Philippe, der diese Jugend mit ihr geteilt hatte. Und nun weckte allein der Gedanke an Jean-Philippe in ihr eine beschämende Sehnsucht, während der Schmerz ihrer Liebe zu Jay sie in einen Zustand ungewohnten Leichtsinns trieb. Bei Jean-Philippe war sie emotional nicht in Gefahr, und vielleicht konnte die Befriedigung des körperlichen Begehrens, das in ihr brannte, sogar helfen, das schmerzliche Sehnen nach Jay zu lindern.
Mit Jean-Philippe würde sie nicht einsam sein. Wusste er, wie sehr sie ihn wollte? Amber war versucht, über die Frage zu lachen. Natürlich wusste er es. Er wusste es und machte sich einen Spaß daraus, ihr Begehren mit der Absicht anzuheizen, sich am Ende am Feuer der Leidenschaft zu wärmen.
Sie schaute zu Robert hinüber und schob ihre Gefühle aus Sorge um ihn zunächst
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