Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
ist direkt hineingetappt.«
»Die Deutschen? Das verstehe ich nicht.«
»Momentan führen die Deutschen einen Propagandafeldzug gegen alle, die ihren Plänen entgegentreten. In deinem Land gibt es Leute, die gegen diese Pläne sind.«
»Ja, allerdings«, stimmte Amber zu.
»Hitler verabscheut die Homosexualität«, fuhr Jean-Philippe fort. »Seiner Meinung nach ist sie das dekadenteste aller Laster und sollte hart bestraft werden. Sie wollen Roberts Homosexualität einsetzen, um ihn in Verruf zu bringen, und durch ihn auch dein Land und die herrschende Gesellschaftsschicht.«
Amber war besorgt. »Was meinst du damit?«
»Otto ist nicht homosexuell, aber man hat ihm gesagt, er müsse Robert in dem Glauben wiegen, er sei es. Dieses Wochenende will Otto Robert sagen, dass er nach Deutschland zurückmuss. Dein Mann wird ihn natürlich anflehen zu bleiben. Otto soll dann sagen, das ginge nicht, deinen Mann aber einladen, ihn nach Berlin zu begleiten. Robert ist so vernarrt in ihn, dass er sich das sicher nicht zweimal sagen lässt.«
Amber schluckte ihren Protest hinunter, schließlich hatte Jean-Philippe recht.
»Sobald Robert in Deutschland ist, wird man ihn mit Otto in einer kompromittierenden Situation erwischen und ihm mit Bloßstellung und Verurteilung vor einem deutschen Gericht drohen, ihm dann aber die Möglichkeit bieten, den Hals aus der Schlinge zu ziehen, indem er als deutscher Spion nach England zurückkehrt. Wenn Robert sich weigert, wird Hitler davon profitieren, indem er Robert als Homosexuellen bloßstellt, was bei euch ja auch strafbar ist. Und wenn Robert sich einverstanden erklärt, für Deutschland zu spionieren, dann …«
»Das würde Robert niemals tun!«
»Wenn Robert sich einverstanden erklärt und für Deutschland spioniert, kann Hitler ihn immer noch als Mitglied der britischen Aristokratie bloßstellen, das bereit war, sein Land zu verraten.«
»Woher willst du das alles wissen?«, fragte Amber. Das Ganze kam ihr so weit hergeholt und theatralisch vor, und doch verrieten Jean-Philippes Stimme und Miene, dass alles, was er erzählte, wahr war.
»Wie gesagt, durch Irene und ihren Schwager. Heinrich empfängt seine SS-Kumpane in der Villa. Ich soll von ihren Unterredungen natürlich nichts mitbekommen, aber Heinrich trinkt zu viel und ist indiskret.
Dein Ehemann wird in falscher Sicherheit gewiegt. Er glaubt, Otto erwidere seine Gefühle. Und sobald sie in Deutschland sind, wird Robert in eine intime Situation gelockt, und dann werden Hitlers Schergen zuschlagen, und dein Mann landet im Gefängnis.«
»Du setzt dein Leben aufs Spiel, um mir das zu erzählen.«
»Und du bist dir nicht sicher, ob du mir glauben und vertrauen kannst oder ob das, was ich dir erzähle, womöglich auch zu einem ausgeklügelten Komplott gehört?«, meinte Jean-Philippe.
»Schon gut«, beruhigte er sie, als er Ambers unbehaglichen Blick sah. »Du hast jedes Recht, dich das zu fragen, ich an deiner Stelle würde das auch tun. Eigentlich wollte ich es dir auch gar nicht erzählen, um da nicht mit hineingezogen zu werden, aber jetzt hat sich mein Gewissen geregt. Weißt du, ich mache mir etwas aus dir, auch wenn uns das beiden ungelegen kommt. Und dass ich mich in Gefahr bringe …«, er zuckte die Schultern, »… nun ja, in wenigen Tagen breche ich nach Spanien auf, um mich dort dem Freiheitskampf anzuschließen, mit dem Gedanken spiele ich schon eine ganze Weile.«
Und nach einem Drink mit dem Freund, dessen Atelier er hatte benutzen dürfen, hatte er sich am vorangegangenen Nachmittag endgültig dazu entschlossen.
»Wirklich? Du willst in den Bürgerkrieg ziehen?«
»Ja. Ein paar Freunde von mir sind schon dort, und es ist nur recht und billig, dass ich an ihrer Seite kämpfe.«
Amber sah, dass es ihm ernst war. Zudem hatte sie nicht das Recht, ihn von seinem Vorhaben abzuhalten. Oder gar nicht den Wunsch? Sie musste sich erst einmal um Robert kümmern. Robert, der laut Jean-Phi lippe in größter Gefahr schwebte.
»Das glaubt Robert doch nie, wenn ich ihm erzähle, was du mir gesagt hast. Er ist vollkommen vernarrt in Otto.«
»Deswegen musst du ihn umgehend von hier fortschaffen und nach England bringen, ohne Heinrich merken zu lassen, dass du von den Plänen erfahren hast.«
»Ich wüsste nicht, wie ich das anstellen sollte.«
»Dein Mann hat eine Jacht im Hafen liegen. Ich würde dir raten, ihn unter irgendeinemVorwand an Bord zu locken und dann den Kapitän anzuweisen, sofort nach England
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