Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
nahm ihn tief in sich auf, bis dorthin, wo sie die pulsierende Sehnsucht spürte, die sinnliche Bereitschaft, die in ihr wuchs.
»Ja«, gab sie ihm zur Antwort.
Erst war er sanft und vorsichtig, doch als ihr Begehren anschwoll und sie zu überwältigen drohte und sie zwang, ihm Ausdruck zu verleihen, vergaß er zum Glück alle Sanftheit und Vorsicht. Er ist einfach unglaublich, dachte sie an einem Punkt ganz benommen, als ihre Sinne überflossen vor Entzücken, weil sie alles bekamen, was sie sich je ersehnt hatten. Er hatte ihr all den Schmerz, ihre Furcht und die Schuldgefühle genommen, die sie seit Henrys Überfall quälten, ebenso die nicht ganz so großen Hemmnisse, die ihre Verlegenheit und ihr Gewissen ihr auferlegten, verzehrt im Feuer ihres eigenen Begehrens. An ihrer Stelle hatte er ihr überschäumende Freude beschert und großen Stolz – auf ihn und darauf, was sie miteinander teilten, vor allem aber auf sich selbst und das Leben.
Sie erklomm den Gipfel und ruhte dort einen winzigen Augenblick, während er sie hielt und trug, und dann war sie es, die ihn mit sich nahm, und schließlich stiegen sie beide rasch und unaufhaltsam hinauf ins Herz der Unendlichkeit.
Ehe Amber in die seidensamtene Dunkelheit des Schlafs sank, dachte sie, dass sie, was immer Henry ihr auch genommen hatte, von Jean-Phi lippe zehnfach zurückbekommen hatte.
Als er ging, schlief sie noch.
Seine Bewegungen kündeten von der langen Erfahrung eines Mannes, der schon viele Frauen und Betten verlassen hatte, doch gleichzeitig verrieten sie eine Dringlichkeit, die er schon lange nicht mehr erlebt hatte. Bilder drängten sich ihm auf, stürmten auf ihn ein, ein wirbelnder Strudel aus Form und Farbe, ein kreatives Bedürfnis, das ihn beanspruchen und gnadenlos erschöpfen würde, bis es befriedigt war.
43
»Der arme Henry, so schnell abreisen zu müssen. Ich finde es sehr selbstsüchtig von Pamela, darauf zu bestehen, dass er seine Ferien abbricht«, ereiferte sich Beth in missbilligendem Tonfall, doch Amber sagte kein Wort.
Ihr war vollkommen gleichgültig, welchen Grund Henry seiner Schwester für seine überstürzte Abreise genannt hatte, sie war einfach froh, dass er weg war.
»Ich gehe jetzt besser«, sagte Beth gerade und erhob sich. Sie hatten sich auf der Terrasse eines exklusiven Hotels in Juan-les-Pins zum Mittagessen getroffen.
Einige Männer – Franzosen und Deutsche, der Sprache nach zu urteilen – wurden gerade an einen Tisch in der Nähe geführt. Sie warfen Amber bewundernde Blicke zu.
Ihr Kleid war aus einem selbst entworfenen Seidenstoff geschneidert, der eigentlich als Möbelstoff gedacht war. Es war rückenfrei, hatte eine schmale Taille und einen weiten Rock, auf dem das kühne tintenblau-weiße grafische Muster auf hellblauem Grund gut zur Geltung kam. Ein passendes Band hielt ihr Haar aus dem Gesicht, und ihre weißen Handschuhe bildeten einen schönen Kontrast zu ihrer goldenen Sonnenbräune.
Doch Amber wusste, dass es weder ihr Kleid noch die Sommerbräune waren, welche die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zogen. Es war etwas anderes, etwas, das für das menschliche Auge zwar unsichtbar, von anderen Sinnen aber leicht wahrnehmbar war: das Selbstvertrauen und die Freude, endlich wieder sie selbst zu sein, die Jean-Philippe ihr geschenkt hatte.
Seit er sie vor vier Nächten vor Henry gerettet hatte, hatte sie ihn nicht mehr gesehen, und merkwürdigerweise verspürte sie auch kein großes Bedürfnis danach. Wenn sie an ihn dachte, dann mit Zuneigung und Dankbarkeit und einer beinahe leuchtenden, stillen Freude. Gemeinsam mit ihm hatte sie einen Teil ihrer selbst wiederentdeckt, der ihr gefehlt hatte. Sie hatte ihre Sexualität wiedergefunden.
Wohin sie das letztlich führen würde, war nicht wichtig.Was zählte, war die Tatsache, dass sie Frieden mit ihr geschlossen hatte und sie sie nicht länger zu verdrängen und zu fürchten brauchte.
Sie spürte, wie das männliche Interesse ihr folgte, als sie und Beth die Terrasse verließen.Vor dem Hotel küssten sie sich zum Abschied, und dann ging jede ihrer Wege.
Es war ein heißer Tag, die Hitze lag wie ein lebendiger Dunst über allem, strich einem über die Haut und raunte einem sinnliche Botschaften zu. Man konnte ihr nicht entrinnen, sie durchdrang alle Sinne und bemächtigte sich sämtlicher Gedanken.
Amber ging hinunter zum Hafen, wo Roberts Jacht bewegungslos vor Anker lag, denn ihr war eingefallen, dass sie in ihrer Kabine an Bord ein
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