Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
»Allein.«
»Danke, Hulme«, entließ Robert seinen Kammerdiener, wartete ab, bis der den Raum verlassen hatte, und fragte Amber dann: »Möchtest du dich setzen?«
Amber schüttelte den Kopf. Robert hatte gesagt, er würde es ihr niemals verzeihen, dass sie ihn gegen seinen Willen nach England zurückgebracht hatte, und sie wusste, dass er es auch so gemeint hatte. In den letzten Monaten hatte er eine unnachgiebige Willenskraft gezeigt, von der sie gar nicht gewusst hatte, dass er sie besaß, und hatte sich aus der tiefen Verzweiflung emporgekämpft, in die er nach der Rückkehr aus Frankreich verfallen war.
Während jener ersten Wochen, als Winston Churchill ihm angedroht hatte, ihn unter Hausarrest zu stellen, sollte er versuchen, nach Deutschland zu gelangen, hatte Amber nicht nur um sein Leben gebangt, sondern auch um seine geistige Gesundheit. Es spielte keine Rolle, dass das alles nur zu seinem Besten geschah und weil ihnen etwas an ihm lag; er hatte zu Amber gesagt, dem Leid, das sie ihm auferlegten, sei der Tod wahrlich vorzuziehen.
Am Ende hatte Churchill ihn aus seiner Verzweiflung herausgeholt, indem er ihn daran erinnerte, dass er seinem Vaterland gegenüber eine Pflicht habe, die er vor seine Gefühle setzen müsse.
»Es fällt mir nicht leicht, es dir zu sagen«, begann Amber. »Ich wollte nicht … ich hätte mir nie vorgestellt … aber ich bin schwanger.«
Robert hatte sich von ihr abgewandt, als sie zu sprechen angefangen hatte, und schwieg so lange, dass Amber sich schon fragte, ob er sie überhaupt verstanden hatte. Schließlich sagte er mit schwerer Stimme: »Ja, das habe ich mir schon gedacht.«
»Du hast es gewusst?«
Er schaute sie an, und sein Mund setzte zu dem Lächeln an, das sie immer so geliebt hatte, verhärtete sich dann jedoch zu einer zynischen Grimasse.
»Besonders schwer war es ja nicht zu erraten, bei deiner morgendlichen Übelkeit. Ich nehme an, Jean-Philippe ist der Vater?«
»Ja«, gestand Amber beschämt ein. »Jetzt wirst du unsere Trennung natürlich beschleunigen wollen oder vielleicht sogar die Scheidung einreichen? Ich könnte es verstehen, aber, Robert, bitte lass uns Luc aus der Sache heraushalten. Er verehrt dich so, und wenn er jetzt herausfinden müsste, dass du nicht sein Vater …«
»Das traust du mir zu?« Zorn war an die Stelle des Zynismus getreten. »Du hältst ja nicht besonders viel von mir, Amber. Luc ist mein Sohn und wird es immer bleiben, nichts kann daran etwas ändern, das liegt mir wirklich fern. Gerade wegen Luc habe ich ja von Anfang an gesagt, dass wir bei unserer Trennung behutsam vorgehen müssen, damit er niemals daran zweifelt, dass wir ihn beide lieben, auch wenn wir nicht mehr als Paar zusammenleben. Wegen Luc habe ich bisher auch gezögert, eine Trennung in die Wege zu leiten; ich wollte erst mit ihm reden. Jetzt allerdings müssen wir es angehen, die zeitliche Planung ist natürlich noch heikler geworden. Vielleicht sollte ich auch sagen, bei der Scheidung spielt der richtige Zeitpunkt eine wichtige Rolle.«
Amber stieß einen zittrigen Seufzer der Erleichterung aus. Robert würde Luc nicht wehtun. Er liebte ihn und betrachtete ihn immer noch als seinen Sohn. Das hatte er gesagt, und sie hatte gespürt, dass es ihm damit ernst war. Tränen stiegen ihr in die Augen.
»Wann soll das Kind auf die Welt kommen?«
»Ende Mai.«
»Dann wirst du die Scheidung so rasch wie möglich über die Bühne bringen wollen, damit du Jean-Philippe heiraten kannst, ehe das Kind kommt.«
Amber war entsetzt. »Das steht überhaupt nicht zur Debatte, für keinen von uns. Jean-Philippe … das war nicht geplant, ein Ausrutscher, eine einmalige Sache, keine Affäre auf Dauer.«
»Aber du liebst ihn, und wenn er bereit wäre, dich zu heiraten, würdest du …«
»Nein, ich liebe ihn nicht«, sagte Amber schwankend. »Was zwischen uns war, ist Vergangenheit.«
Mehr brachte sie nicht über die Lippen. Es tat ihr unglaublich weh, so zu reden, zumal sie Robert nicht sagen konnte, dass der Anblick seiner Erniedrigung und seines Schmerzes mit verantwortlich war für die Empfängnis dieses Kindes, das sie weder wollte noch je würde lieben können, dem sie als Mutter aber moralisch verpflichtet war.
»Hast du schon irgendwem davon erzählt?«, fragte Robert.
»Nein, ich wollte nicht … das heißt, ich hatte gehofft, dass ich mich täusche.«
»Vermutlich ist es jetzt zu spät …«
»Ja«, kam Amber ihm zuvor, »ja, für einen Abbruch ist es zu
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