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Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)

Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)

Titel: Der Glanz der Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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selbst wenn sie sich alle Mühe gegeben hatte, sie nicht zu beachten. Doch nun hatte sie den unwiderlegbaren Beweis, und dank ihrer Vogel-Strauß-Haltung war es inzwischen zu spät, um noch etwas dagegen zu unternehmen.
    Amber legte die Hand auf ihren gnädigerweise noch flachen Bauch. Hätte sie das Leben, das in ihr heranreifte, zerstören können, wenn dies noch möglich gewesen wäre? Warum nicht? Würde sie nicht andere Leben zerstören, wenn sie es nicht tat? Das Leben ihres Sohnes, der so tat, als ließe ihn Weihnachten völlig kalt, seine Vorfreude aber kaum verhehlen konnte; das Leben ihrer eigenen Familie; ihre Großmutter, die vor ein paar Tagen aus Macclesfield angereist war, um Weihnachten bei ihnen zu verbringen, im Schlepptau den immer noch zornigen Greg und die kleine Rose; ihr eigenes Leben mit seiner Wohltätigkeitsarbeit; ihr Engagement in der Seidenfabrik und natürlich ihr geliebter und sehr erfolgreicher Laden. Das Leben ihres Ehemanns, der bereits ihre Trennung plante, bevor er überhaupt von diesem Kind wusste.
    Seit ihrer Rückkehr aus Frankreich hatte Robert kaum mit ihr gesprochen, hielt sich räumlich wie emotional von ihr fern. Nachdem auf Anordnung der Regierung inzwischen sein Briefverkehr überwacht wurde und man ihn ausdrücklich gewarnt hatte, er dürfe unter keinen Umständen versuchen, mit Otto in Kontakt zu treten oder gar das Land zu verlassen, machte Robert keinen Hehl daraus, dass er Amber die Schuld an allem gab. Wenn er doch das Wort an sie richtete, war seine Stimme kalt und schneidend, doch die meiste Zeit ging er ihr einfach aus dem Weg. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er verkünden würde, dass er seine Anwälte hinzugezogen und ihre Trennung in die Wege geleitet hatte. Der Umstand, dass sie Jean-Philippes Kind unter dem Herzen trug, konnte die Trennung nur beschleunigen – und im Nachhinein auch rechtfertigen.
    Im besten Fall wäre sie Gegenstand zahlreicher Klatschgeschichten, schlimmstenfalls fiele sie vollkommen in Ungnade. Doch um ihre eigene Lage machte sie sich die wenigsten Gedanken, am meisten sorgte sie sich um Luc. Luc, der den Mann anbetete, den er für seinen Vater hielt. Dass Luc die väterliche Liebe verlieren sollte, ängstigte und bekümmerte sie weitaus mehr als der Umstand, dass Luc womöglich Roberts Titel und den Besitz verlieren würde. Nachdem sie nun zum zweiten Mal schwanger war, würde Robert sich sicher bemüßigt fühlen, öffentlich bekannt zu geben, dass er nicht Lucs leiblicher Vater war. Sie hatte gehofft, Robert werde Luc trotz ihrer Trennung auch weiterhin als seinen Sohn behandeln und ihm seine Liebe schenken. Robert hatte gesagt, er wolle nicht, dass Luc verletzt würde. Doch diese zweite Schwangerschaft änderte alles.
    Anfangs hatte sie es kaum glauben können – und noch weniger glauben wollen -, als sich die morgendliche Übelkeit eingestellt hatte. Doch jetzt hatte ihr der gepflegte und sehr diskrete Londoner Arzt, den sie vor einiger Zeit konsultiert hatte, bestätigt, ein Irrtum sei unmöglich und sie sei tatsächlich schwanger.
    Sie erhob sich von dem Hocker vor ihrer Frisierkommode, auf dem sie die letzte halbe Stunde gesessen hatte, nachdem sie die Zofe weggeschickt hatte.
    Robert war am Nachmittag aus London gekommen, um Weihnachten mit der Familie zu verbringen. Jetzt war er wohl in seinem Schlafzimmer, wo er sich zum Abendessen umzog. Sie musste es ihm sagen, je früher, desto besser. Um Lucs willen musste sie ihn anflehen, ihn nicht zu verleugnen.Würde er sich darauf einlassen? Konnte er hinauswachsen über die Bitterkeit, die er ihr entgegenbrachte, und sich als großzügig erweisen, oder war das einfach zu viel verlangt?
    An Heiligabend aßen sie immer eine Stunde früher zu Abend, damit noch Zeit blieb, die Dienstboten in der Halle unter dem riesigen Weihnachtsbaum zu bescheren.
    Weihnachten. Ein Fest, an dem man dankbar war für die Geburt eines Kindes. Aber nicht dankbar für ihr Kind.
    Eine Träne lief ihr die Wange hinunter und blitzte im Licht auf wie ein Diamant, bevor sie sie wegwischte. Für Tränen war es zu spät. Jetzt konnte sie nur noch der Wirklichkeit ins Gesicht sehen.
    Sie ging zu der Verbindungstür zwischen ihren Schlafzimmern, klopfte kurz an und trat dann in Roberts Zimmer.
    Seine Züge hatten in den letzten Monaten eine gewisse Strenge und Bitterkeit angenommen, die noch ausgeprägter wurden, wenn er sie ansah.
    »Ich muss mit dir reden, bevor wir zum Essen hinuntergehen«, sagte sie.

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