Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
spät.«
»Dann wäre es, glaube ich, unter den Umständen das Beste, wenn wir uns nicht scheiden ließen, vor allem in Lucs Interesse.«
»Keine Scheidung? Aber …«
»Du sagst, du hast nicht vor, Jean-Philippe zu heiraten. In dem Fall gibt es keinen Grund, warum wir uns den schmuddeligen Unannehmlichkeiten einer Scheidung aussetzen sollten, schließlich müsste einer von uns zugeben, dass er mit einem Dritten im Bett war, und die nötigen Beweise dazu liefern.«
Amber wurde übel, und diesmal war es nicht wegen ihrer Schwangerschaft. Laut Gesetz konnte eine Scheidung nur dann ausgesprochen werden, wenn einer der Ehepartner zugab, Ehebruch begangen zu haben, und somit die Schuld auf sich nahm. Es war schon vorgekommen, dass jemand, der die Scheidung wünschte, irgendwen angeheuert hatte, um die Nacht mit ihm oder ihr zu verbringen, um über das nötige Beweismaterial zu verfügen; tatsächlich hatte sich das Ganze zu einem richtigen Geschäftszweig ausgewachsen, bei dem ein gewisser Typ junger Frauen gemietet werden konnte, um den Ruf der Gattin oder der Geliebten zu schützen. Robert hatte natürlich jedes Recht, sich von ihr scheiden zu lassen, da sie ja bereits Schuld auf sich geladen hatte. Eine Trennung war die bei weitem respektablere und angenehmere Lösung.
»Wenn du dir ganz sicher bist, dass du dich nicht von mir scheiden lassen willst …«, war alles, was sie hervorbrachte.
»Vollkommen sicher«, versetzte Robert und fügte hinzu: »Ich glaube nicht, dass wir jetzt schon irgendwen in unsere Pläne einweihen müssen. Luc sollte natürlich unsere Hauptsorge gelten. Was das Baby angeht, so bin ich Luc zuliebe bereit, es als meines anzuerkennen, wenn du das möchtest. Ich möchte nicht, dass Luc irgendwie darunter leidet oder in der Schule von den anderen Jungen verspottet wird. Ich muss dich aber warnen, dass ich es nicht sehen möchte und nichts mit ihm oder mit dir zu tun haben möchte. Ich werde es nie auf dieselbe Art als mein Kind ansehen wie Luc. Tatsächlich halte ich es für das Beste, wenn wir nach Weihnachten vollkommen getrennt voneinander leben. Natürlich wird das alles rechtliche Auswirkungen haben, aber wir werden bestimmt einen Weg finden. Luc ist und bleibt mein Erbe, während dieses Kind …«
Er unterbrach sich, als er sah, dass Amber zu weinen begonnen hatte. »Tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun.«
»Das hast du auch nicht.« Sie weinte vor Erleichterung, vor Erleichterung und Schuldgefühlen. Erleichterung, weil er sie nicht zwang, aller Welt ihre Umstände zu erklären, und Schuldgefühle, weil sie sich so sehr wünschte, sie hätte dieses Kind nie empfangen.
»Es wird vermutlich ziemlich schwierig, Luc von Bruno zu trennen, wenn er in die Schule zurückmuss«, meinte Amber zu Robert, als sie durch das Fenster zusahen, wie Luc mit dem jungen Labrador über den gefrorenen Rasen tobte.
»Keineswegs. Luc ist alt und intelligent genug, um zu begreifen und zu akzeptieren, dass eine Schule nicht der richtige Ort für einen Hund ist und dass Landhunde aufs Land gehören. Jarvis sagt, Bruno würde einen guten Jagdhund abgeben, wenn er erst einmal richtig abgerichtet ist. Bis er so weit ist, wird Luc selbst alt genug sein, um ihn zum Schießen mitzunehmen.«
»Robert, er ist noch ein kleiner Junge.«
»Ich war fünf, als ich zum ersten Mal mit dem Gewehr rausgegangen bin. Es gehört zu seiner Stellung einfach dazu, Amber. Du hast ja auch nichts dagegen, dass er die Geschichte des Hauses und seiner Bewohner studiert oder dass deine Großmutter ihn an seine Manieren erinnert.«
Amber seufzte kleinlaut. Am zweiten Weihnachtsfeiertag war Luc ein Stück mit der Jagd mitgegangen und hatte anschließend den ganzen Tag von nichts anderem mehr geredet. Robert tat gut daran, darauf zu bestehen, dass Luc all diese Dinge lernte, die er eines Tages können musste, doch für sie war Luc immer noch ihr kleiner Junge, auch wenn er sich Rose gegenüber schon als erwachsen und fürsorglich zeigte.
Sie empfand die kühle Stimmung, die seit ihrer Rückkehr aus Frankreich zwischen ihr und Robert herrschte, als sehr bedrückend. Sie vermisste die Wärme seines neckenden Lächelns, die Scherze, die er früher so gern gemacht hatte. Sie vermisste auch die Bewunderung, die er ihrer Erscheinung immer entgegengebracht hatte, und sein Interesse an ihren Aktivitäten. Es fühlte sich an, als wäre ihr eine warme Decke von den Schultern gezogen worden, sodass sie einer Kälte ausgesetzt war, die
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