Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
war es, der sie darauf aufmerksam gemacht hatte, dass ihre Großmutter siebzig wurde, er hatte sie angerufen und vorgeschlagen, eine Feier zu organisieren.
»Sie hat hier in der Gegend so viel für die getan, die in Not waren, auch wenn sie nicht gerne darüber redet.«
Beim Klang seiner Stimme war sie von einer solchen Einsamkeit und einem solchen Schmerz übermannt worden, dass sie froh war, dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Wann aus Freundschaft Liebe geworden war, wusste Amber nicht. War es passiert, bevor sie ihn geküsst hatte, und sie hatte es ignoriert? Wie aus dem Nichts kam eine Erinnerung an ihr Zusammentreffen im Garten, bevor sie nach London abgereist war. Hatte sie damals nicht das Gefühl gehabt, ihr stehe etwas Bedeutendes bevor? Sie war damals zu naiv gewesen, um das Gefühl als das zu erkennen, was es war, zu naiv, um zu lieben wie eine Frau. Doch sie hatte gewusst, dass Jay für sie etwas Besonderes war, nicht wahr?
Wie auch immer, in Jean-Phi lippes Armen hatte sie es gewusst. O ja, da hatte sie es gewusst.
»Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich keine Ahnung hatte, wie alt sie genau ist. Aber ja, natürlich müssen wir etwas vorbereiten«, hatte sie Jay zugestimmt, sobald sie ein Wort herausbrachte, ohne sich zu verraten.
»Ich wusste es auch nicht«, sagte Jay. »Mein Großvater hat es erwähnt.«
»Das sagen wir ihr besser nicht«, meinte Amber lachend, »denn das wird sie ihm nur wieder verübeln.«
Inzwischen waren alle Vorbereitungen getroffen. Für die Landarbeiter würde es ein Fest geben, und die Arbeiter in der Fabrik würden einen Tag freibekommen, wogegen Blanche sich entschieden gewehrt hatte, als Amber es zuerst vorgeschlagen hatte. Sie hatte erst nachgegeben, als Amber ihr sagte, sie habe bereits die Lokalzeitung über ihre Großzügigkeit informiert.
Das hatte nicht ganz der Wahrheit entsprochen, doch Ambers List hatte funktioniert. Sie hatte heimlich seidene Taschentücher in Auftrag gegeben, auf die das Bild ihrer Großmutter gedruckt war; sie sollten nur an die ausgegeben werden, die in der Fabrik oder auf dem Gut arbeiteten.
Maurice hatte ihr voll Begeisterung geschrieben, die Besitzer anderer Seidenfabriken und die Würdenträger der Stadt hätten sich persönlich an ihn gewandt und um eines der Tücher nachgefragt.
»Die werden noch zum Sammlerobjekt, gerade weil sie nur in begrenzter Zahl produziert werden«, hatte Jay prophezeit, als Amber ihm bei einem ihrer regelmäßigen wöchentlichen Telefonate zur Besprechung der Vorbereitungen davon erzählt hatte.
Die Stanleys von Alderley Hall, die mit den Mitfords verwandt waren, luden zu einer Geburtstagsteegesellschaft, und die Würdenträger von Macclesfield hatten ein formelles Dinner vorbereitet.
Alles in allem war die ganze Woche von Blanches Geburtstag, einschließlich beider Wochenenden, angefüllt mit Festlichkeiten. Die erste war die Party am Nachmittag für die Landarbeiter und Dienstboten, die in der Tenants Hall gefeiert wurde.
»Ich habe mir Gedanken gemacht, Amber«, erklärte Blanche scharf. »Wenn es Krieg gibt, wird die Regierung Häuser und Wohnungen beschlagnahmen, um Unterkünfte für die Truppen bereitstellen zu können. Wir müssen dafür sorgen, dass sie nicht auf die Idee kommen, Denham Place zu requirieren. Du musst mit deinem Freund beim National Trust sprechen und ihm sagen, dass das Gut der de Vries viel geeigneter wäre. Ich weise immer darauf hin, sobald das Thema zur Sprache kommt. Dies ist schließlich ein bewirtschaftetes Gut, während Lord de Vries allein lebt und sein Land rundum verkommen lässt.«
Amber verbarg ein leichtes Lächeln. War ihrer Großmutter irgendwie zu Ohren gekommen, dass Jays Großvater sich an ihr Alter erinnert hatte? Wollte sie so Rache nehmen?
»Mr Chamberlain ist überzeugt, dass es keinen Krieg geben wird«, erinnerte Amber ihre Großmutter.
»Pah, Chamberlain! Dem traue ich genauso wenig wie seinen Überzeugungen.«
Das Gerede von Krieg erinnerte Amber an den andauernden Konflikt in Spanien. Die Zeitungen waren voller Berichte über das schreckliche Leiden dort. Hatte Jean-Philippe die Kämpfe überlebt? Um seinetwillen hoffte sie es. Sie hatte die verschlossene Kiste mit seinen Gemälden nach Macclesfield geschickt und gebeten, sie zu verwahren.
»Ich gehe jetzt zu Jay, Großmutter, um Rose abzuholen.«
»Ich weiß nicht, warum du um dieses Kind so ein Theater machst. Schick doch eines der Dienstmädchen nach ihr.«
»Ich mache
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