Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
große Hitzewelle aus ihrem Körper. Sie roch Blut, warm und salzig. Überall um sie herum waren Stimmen, doch über dem Rauschen der Flut in ihr, die ihr alle Kraft und alle Sinne raubte, konnte sie nicht verstehen, was sie sagten.
»Amber.« Die Stimme war ihr vertraut, und sie klang so erschöpft, dass sie sie aufrüttelte und die Schleier ihres Schlafs durchdrang. Roberts Stimme. Doch wie konnte Robert hier sein, wo sie doch getrennt waren und er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte?
Amber bemühte sich, trotz der großen Schwäche, die sie erfüllte, die Augen aufzuschlagen. Es war tatsächlich Robert gewesen, der sie angesprochen hatte, erkannte sie, als sie den Blick zuerst auf ihren Mann und dann auf das unbekannte Zimmer richtete.
»Wo bin ich?«, fragte sie unsicher.
»Du bist im Krankenhaus, Amber. Sie mussten dich herbringen, um dir eine Bluttransfusion zu geben.«
»Eine Bluttransfusion?« Ihre Stirn legte sich in Falten, während sie versuchte, seine Worte zu begreifen.
»Eine von vielen. Dr. Brookes musste sich am Ende an die neue Blutbank in Ipswich wenden.«
Sie merkte plötzlich, dass Robert ihre Hand hielt. Er sah müde aus und unrasiert. Er sah auch dünner aus und war merklich gealtert.
»Warum bist du hier?«
»Deine Großmutter hat nach mir geschickt.« Seine Hand zitterte. »Ich war ein Narr. Ich musste dich beinahe verlieren, um zu erkennen, wie wichtig du mir bist und wie leer mein Leben ohne dich wäre. Ich dachte, ich wüsste, was Liebe ist, aber jetzt weiß ich, dass ich kaum einen einzigen Ast eines sehr tief verwurzelten Baums gekannt habe und dass du und meine Liebe zu dir die Wurzel dieses Baums sind und das, was mich am Leben erhält. Prinzessin, du bist meine liebste, liebste Frau.«
Dass Robert den Spitznamen benutzte, den er ihr bei ihrem ersten Zusammentreffen gegeben hatte, trieb Amber Tränen in die Augen. Der Griff seiner Hand wurde fester, und sie erwiderte den Druck.
»Als du mich mitten in den Wehen schreiend um Verzeihung gebeten hast, wurde mir klar, dass ich tausend Ottos lieben kann, aber dass es dich nur einmal gibt.«
»Du warst da? Bei der Geburt?«
»Wo hätte ich denn sonst sein sollen? Obwohl ich zugeben muss, dass deine Großmutter nicht begeistert war. Ich wollte unbedingt, dass du am Leben bleibst, Amber, für Luc und für mich, damit ich die Chance hätte, dir all das zu sagen, was ich dir jetzt sage. Ich wollte dich in meine Liebe einhüllen und dich beschützen.«
»Das habe ich gespürt. Irgendwie habe ich gewusst, dass jemand … ich dachte, es sei vielleicht mein Vater …«
»Vielleicht waren wir es beide«, sagte Robert leise. »Du musst dich jetzt ausruhen.« Er wollte ihre Hand loslassen und aufstehen.
Doch Amber mochte ihn noch nicht gehen lassen. Bilder glitten langsam durch ihren Kopf: Lydia, ein Messer, die Geburt ihres Kindes, so still und leblos. Sie legte die freie Hand auf ihren Bauch, und Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie ihn fragte: »Mein Baby?«
Roberts Gesicht strahlte plötzlich, erhellt von der Freude, die sie jetzt in seinen Augen sah. Weil ihr Kind tot war!
Der Schmerz war unerträglich, um ein Vielfaches schlimmer als der körperliche Schmerz des Gebärens. Sie wollte davor entfliehen und in das dunkle Nichts zurückkehren, aus dem Robert sie gezerrt hatte.
Sie merkte, wie Roberts Handgriff fester wurde, als spürte er ihren Wunsch und wollte sie aufhalten. »Sie ist so schön, Amber, so vollkommen«, sagte er lachend. »Ich bin ganz vernarrt in sie. Sie sieht Luc sehr ähnlich, nur viel hübscher natürlich.«
Amber starrte ihn ungläubig an. »Sie lebt?«
»Was? Oh, meine Arme, hast du gedacht …? Ja … ja, sie lebt und braucht dringend ihre Mutter, denn ein Vater ist kein rechter Ersatz. Deine Großmutter ist genauso vernarrt in sie wie ich, obwohl sie das natürlich niemals zugeben würde. Doch sie erlaubt mir nicht, sie aus dem Kinderzimmer zu holen und mit nach Hause zu nehmen. Wir sind alle ihre Sklaven, außer vielleicht die kleine Rose, die rührend nach dir weint.«
Amber begriff das alles nicht recht. »Ich dachte, sie hätte die Geburt nicht überlebt. Sie war so bleich und still, sie hat sich überhaupt nicht gerührt.«
»Die Geburt war für euch beide traumatisch. Du erinnerst dich, glaube ich, nicht, aber nach der Geburt hast du so stark geblutet, dass Dr. Brookes uns warnte, du würdest es womöglich nicht überleben. Und wahrscheinlich hättest du auch nicht überlebt, wenn
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