Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
während Robert vorgeschlagen hatte, Jay zu fragen, die Stelle des Patenonkels einzunehmen. »Er hat dir schließlich das Leben gerettet«, hatte er Amber erklärt, »und damit auch Emerald.«
Als ihre Gäste sich jetzt im Anschluss an die Taufe zur Feier am Eaton Square einfanden, musste Amber sich eingestehen, dass es ihr sowohl süßeste Freude als auch schneidendsten Schmerz bereitete, Jay in ihrer Nähe zu haben, wo sie doch wusste, dass sie sich niemals wirklich nahekommen durften.
Er hatte sie besucht, als sie noch im Krankenhaus gelegen hatte, und hatte – wie Robert – an ihrem Bett gesessen, doch im Gegensatz zu Robert hatte er nicht ihre Hand gehalten. Sie hatten über seine Töchter gesprochen, und dann hatte sie ihm anvertraut, ohne ihm dabei in die Augen zu sehen, dass sie das Gewissen plagte, weil sie Emerald anfangs nicht gewollt hatte.
»Als ich gemerkt habe, dass ich schwanger war, war ich wütend und voller Angst. Ich war Jean-Phi lippe wirklich dankbar. Er hatte mir den wahren Wert meiner Weiblichkeit gezeigt und mir klargemacht, wie sehr ich dich liebe. Doch ich habe es gehasst, dass ich sein Kind unter dem Herzen trug.« Eine Träne war ihr über die Wange gerollt und dann auf das Laken getropft. Jay hatte mit gesenktem Kopf die Hand darübergelegt.
Nachdem er gegangen war, hatte Amber ihre Hand auf die Stelle gelegt, die noch seinen Abdruck trug.
Diana Cooper hielt Emerald, die sie mit vor Aufregung rosa Wangen anlächelte, als wüsste sie, dass sie im Zentrum der Aufmerksamkeit stand und dies ihr Tag war.
»Sie ist eine kleine Prinzessin, Amber«, sagte Diana lachend. »Wenn sie mal ein bisschen größer ist, werden sämtliche jungen Männer Schlange stehen, um sie zu bewundern.«
»Junge Männer? Die lasse ich nicht in ihre Nähe«, brummte Robert in gespielter Missbilligung.
Jay stand mit seinen Töchtern und Rose auf der anderen Seite des Zimmers.
Amber bewegte sich allmählich auf sie zu, blieb stehen, um mit anderen Gästen zu reden, zog die Vorfreude in die Länge und spürte, wie sie in ihr wuchs.
Sie hätte es gerne gehabt, wenn Rose bei ihnen gelebt hätte, doch Robert war dagegen, schließlich mochte Emerald Gregs Tochter nicht.
»Es wäre keiner von beiden gegenüber fair, und abgesehen davon ist Rose die Gesellschaft von Jays Töchtern gewohnt. Es wäre nicht schön, sie von ihnen zu trennen.«
Amber wusste, dass er recht hatte, doch sie würde Rose vermissen. Sie verstanden einander und brauchten zuweilen nur einen Blick, um sich mitzuteilen. Wenn sie mit Emerald zusammen waren, warfen sie einander viele Blicke zu.
»Emerald scheint viel Freude an ihrer Taufe zu haben«, sagte Jay lächelnd, als Amber schließlich vor ihm stand.
»Sie ist durch und durch meine Großmutter, fest entschlossen, die Rolle der grande dame zu spielen«, sagte Amber kleinlaut und fügte hinzu: »Die Zeitungen sind voll von Chamberlains Abkommen mit Deutschland, aber Robert ist immer noch überzeugt, dass wir am Ende Krieg führen.«
»Ich bin da leider mit ihm einer Meinung.«
Amber schauderte. Es machte sie verletzlich zu wissen, dass, während ihr persönliches Leben voller Liebe und Zufriedenheit war, in der Welt so viel politische Unruhe herrschte. Sie wollte ihre Familie eng um sich scharen, um sie vor der Drohung zu beschützen, die den politischen Himmel verfinsterte, und gleichzeitig versuchte sie, das ferne Dröhnen der Trommeln auszublenden, die ihre grausige und schreckliche Warnung schlugen. Empfand sie ihr eigenes Glück deutlicher, weil es Hand in Hand mit ihrer Angst marschierte? Ließ die wachsende Überzeugung, dass es zum Krieg kommen würde, sie die kostbare Süße dieser besonderen Zeit umso deutlicher spüren?
Krieg!
Kein Wunder, dass überall im Land Gemeinden jeden Sonntag darum beteten, dass es nicht so weit kommen würde und der Frieden bewahrt werden konnte.
»Wie lange hast du vor, in London zu bleiben?«, fragte sie Jay, um ihre Gedanken von der politischen Lage abzulenken.
»Wir kehren morgen nach Macclesfield zurück.«
Noch ein Schlag, der ihr Glück trübte.
»Amber, Schatz, Sie haben eine wunderschöne Tochter. Ich bin schrecklich neidisch.«
Pflichtbewusst drehte sie sich um, um mit einer weiteren Bewundererin von Emerald zu sprechen.
Als sie sich wieder umwandte, war Jay gegangen.
47
September 1939
Krieg!
Robert und Amber sahen einander an, während sie der Stimme des Premierministers lauschten. Sie saßen im kleinen Salon im
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