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Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)

Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)

Titel: Der Glanz der Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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Haus am Eaton Square und hörten Radio. Luc stand mit ernster Miene neben seinem Vater, während Emerald, die nicht nur bereits laufen, sondern auch schon »Dada« sagen konnte – und, wenn sie besonders milder Stimmung war, »Mama« -, diesmal vergeblich versuchte, die Aufmerksamkeit ihres Vaters zu erringen, indem sie sich an ihn schmiegte und die Ärmchen ausstreckte.
    Nicht dass die Neuigkeiten überraschend gekommen wären. Das ganze Land war sich seit Monaten darüber im Klaren, dass die Regierung sich für den Kriegsfall rüstete. Als Mitglied des Women’s Voluntary Service , eines freiwilligen Kriegshilfsdienstes der Frauen, hatte Amber in der vergangenen Woche in Londons East End bei der Evakuierung von Kindern geholfen. Am Abend zuvor war sie während der Verdunkelung nach einer Versammlung auf dem Heimweg in ein heftiges Gewitter geraten und in ihrer Uniform vollkommen durchnässt worden. Den Großteil des Sommers hatte sie alle Hände voll damit zu tun gehabt, Osterby dafür herzurichten, die Schule aufzunehmen, die im Kriegsfall dort einziehen sollte. Sowohl Osterby als auch ihr Stadthaus in London hatten mit Verdunkelungsvorhängen ausgestattet werden müssen, und die Haus- und Gutsangestellten, die nicht in den Krieg ziehen konnten, mussten beruhigt werden, was ihre Stellung anging. »Wir werden Sie mehr denn je brauchen«, hatte Amber ihnen gesagt, »denn wir werden alle unseren Teil beitragen müssen.«
     
    Der Laden in der Walton Street musste geschlossen werden. Ihre beiden jungen Angestellten hatten sich freiwillig gemeldet und hatten zusammen mit Amber drei sehr traurige Tage damit verbracht, die ganzen Seidenstoffe einzupacken und alles für die Einlagerung vorzubereiten. Dasselbe geschah mit den Gemälden, Kunstgegenständen und wertvollen Möbeln von Osterby und dem Haus am Eaton Square. Lange hatte Amber über den Entwürfen gebrütet, die sie in Südfrankreich begonnen hatte, in jenem Sommer, in dem sie Emerald empfangen hatte. Jener Sommer mit all seinen Gefühlsstürmen schien nun in ein anderes Leben zu gehören, für das – genau wie für die damals angefertigten Entwürfe – in ihrem jetzigen Leben kein Platz mehr war.
    Es war an der Zeit, mit der Vergangenheit abzuschließen.Vor ihnen lagen andere, ernstere Gefahren. Um sie zu überwinden, mussten nicht nur einzelne Familien zusammenhalten, sondern das gesamte Land.
    Landwirte wurden gedrängt, mehr anzubauen, junge Männer wurden in die Armee einberufen, und in Macclesfield arbeiteten die Seidenfabriken Tag und Nacht, um ausreichend Fallschirmseide zu produzieren.
    Das Kriegsministerium hatte Robert als Verbindungsoffizier hinzugezogen. Er kümmerte sich um hochrangige Flüchtlinge, was bedeutete, dass er in London gebraucht wurde. Er hatte jedoch darauf bestanden, dass Amber im Falle eines Kriegs nach Macclesfield ging und Emerald mitnahm, da sie dort sicherer waren. Emerald akzeptierte ihre Mutter inzwischen ein wenig mehr, wobei »tolerieren« es vielleicht noch besser traf, überlegte Amber traurig, während sie ihre Tochter ansah. Sie hatte sich geduldig bemüht, Emeralds Liebe und Vertrauen zu gewinnen, doch ihr war klar, dass ihre Tochter sie nie so lieben würde wie ihren Vater.
    Die Stimme des Premierministers war kaum verklungen, als sich ohrenbetäubender Lärm erhob, ein an- und abschwellendes schauriges Heulen, bei dem Emerald sich die Hände auf die Ohren legte und zu weinen anfing.
    »Fliegeralarm«, sagte Robert grimmig. »Wahrscheinlich nur eine Übung, aber wir sollten trotzdem alle in den Keller gehen.«
    Wie in vielen Londoner Häusern wurde auch ihr Keller als Luftschutzraum genutzt.
    In der Küche stand ein junges Dienstmädchen, das noch nicht lange bei ihnen war, kurz vor einem hysterischen Anfall, weil es Angst vor der Dunkelheit hatte und sich lieber zerbomben lassen wollte, als in den Keller zu gehen, allen furchtbaren Warnungen der anderen Dienstboten zum Trotz.
    »Sie sollten dankbar sein, statt so ein Theater zu machen«, schalt die Köchin. »Wir haben wenigstens unseren eigenen Luftschutzraum und brauchen nicht in einen der ekelhaften, stinkenden öffentlichen Räume zu gehen, wie manch anderer.«
    Bei dieser Zurechtweisung flossen die Tränen nur noch rascher.
    Amber nahm die Sache in die Hand und erklärte ihr ruhig, sie dürfe gern in der Küche bleiben, wenn sie wolle, aber sie habe doch sicher gehört, dass viele junge Männer sich nur dann mit ihrer Liebsten verlobten, wenn sie das Gefühl

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