Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
sagte er, und er war mit dem Segen ihrer Großmutter sofort nach London gekommen, um zu helfen, wo er helfen konnte.
»Nicht dass ich gehorcht hätte, wenn Blanche mir verboten hätte herzukommen«, fügte Jay freundlich hinzu. »Nichts hätte mich daran hindern können herzukommen.«
Amber sah ihn an. »Du hättest nicht kommen sollen«, sagte sie schroff. »Ich will dich nicht hier, Jay. Ich will, dass du gehst. Sofort. Du hast hier nichts verloren.«
»Amber …«, protestierte er.
»Es ist mein Ernst. Ich will dich hier nicht haben. Ich will nicht in deiner Nähe sein und will dich nicht in meiner Nähe wissen. Der Gedanke ist mir verhasst.«
»Ich verstehe, dass du durcheinander bist, aber ich verstehe nicht, wieso du so redest.«
»Nein? Dann will ich dir sagen, warum. Soll ich? Weißt du, was ich gemacht habe, als Robert und Luc starben? Ich habe an dich gedacht, habe mich darauf gefreut, dich zu sehen. Ich wollte dich, und ich habe mich daran erinnert, wie du mich angesehen hast, als Lydia auf mich losgegangen ist, und wie du mich seither ansiehst. Wie ich dich ansehe.«
»Ich liebe dich, das stimmt«, sagte Jay offen, »aber ich würde niemals zulassen, dass meine Liebe dir oder denen, die du liebst, wehtut. Das weißt du doch sicher?«
»Du hast leicht reden, aber ich werde mir nie verzeihen, was ich getan habe. Ich habe an dich gedacht, als ich in Gedanken bei ihnen hätte sein sollen. Ich habe sie ungeschützt und ungeachtet ziehen lassen, und deswegen sind sie mir genommen worden. Um mich zu strafen.«
»Das ist doch Unsinn, Amber.«
»Nein. Ich hätte an sie denken sollen und nicht an mich und nicht an dich, und wenn ich …«
»Du machst dir unnötig Vorwürfe.«
»Nein, ich erkenne nur meine Schuld an.«
»Du hast nichts falsch gemacht. Ihr Tod war ein tragischer Unfall.«
Amber schüttelte den Kopf. »Meine Liebe hätte sie beschützen sollen, aber ich habe sie für dich aufgespart. Wenn ich an meinen Mann und an meinen Sohn gedacht hätte und nicht an dich, würden sie noch leben. Ich ertrage dich nicht in meiner Nähe, Jay.«
Sie läutete nach Chivers und sagte: »Mr Fulshawe möchte sich verabschieden, Chivers.« Jay blieb keine andere Wahl, als zu gehen.
Zehn Tage nach ihrem Tod wurden Robert und Luc nach dem Trauergottesdienst in der kleinen Dorfkirche in der Familienkrypta von Osterby beigesetzt.
Die Kirche war so voll, dass einige Trauergäste draußen bleiben mussten. Roberts Freunde aus der Londoner Gesellschaft waren alle gekommen, um sich zu verabschieden, und äußerten sich anerkennend darüber, mit wie viel Würde Amber ihre Trauer trug.
»Du kommst jetzt natürlich zurück nach Macclesfield«, sagte Blanche zu Amber.
»Ja.« Sie musste zurückkehren. Es war schließlich das, was Robert gewollt hatte. Bevor sie London den Rücken kehren konnte, musste sie sich jedoch noch um einige Angelegenheiten kümmern. Die Wichtigste war ein Treffen mit Roberts Anwalt, um den Inhalt des Testaments zu besprechen.
Am Tag nach Ambers Rückkehr von Osterby stellte sich Mr Melrose pünktlich um zwei Uhr am Eaton Square ein. Er war groß, dünn und ein wenig gebeugt, und er war Roberts Anwalt, seit Amber ihren Mann kannte.
»Es gibt bezüglich Ihres verstorbenen Gatten zwei Punkte, die ich mit Ihnen besprechen muss, Euer Gnaden«, sagte er zu Amber, sobald sie in der Bibliothek Platz genommen hatten. »Der erste betrifft die Herzogswürde. Sie begreifen sicher, dass alle Vermögenswerte, die zum Herzogtum gehören, an den Erben übergehen. Das heißt, sie gehen von einem Herzog auf den nächsten über. Normalerweise hätte Ihr Sohn die Nachfolge seines Vaters angetreten. Das ist jedoch tragischerweise nicht möglich. Das, fürchte ich, bereitet einige Probleme in Form von Erbschaftssteuern. Ich werde einige Zeit brauchen, um die Situation zu evaluieren und die Höhe dieser Erbschaftssteuern zu errechnen. Wenn ich mich recht erinnere, war Ihr verstorbener Mann der einzige männliche Nachkomme seines Großvaters. Es gab keine anderen. Auch das ist jedoch eine Sache, um die man sich kümmern muss.
Was nun das private Vermögen des Herzogs angeht, das ihm von seinen Großeltern mütterlicherseits vermacht wurde, das konnte er natürlich nach eigenem Gutdünken vererben, da es nicht zur Herzogswürde gehörte. Auch hier ist die Sachlage jedoch kompliziert. Ihr verstorbener Mann ist natürlich davon ausgegangen, dass Ihre Kinder Sie beide überleben würden und dass sein Sohn die
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